FDP Hauptsache an die Macht

  • von Hans Peter Schütz
Von der SPD umschmeichelt, von der Union als Wunschpartner bezeichnet: Der FDP stehen nach der nächsten Bundestagswahl scheinbar alle Koalitionsoptionen offen. In der Öffentlichkeit setzt Parteichef Guido Westerwelle weiter auf ein schwarz-gelbes Bündnis, doch er lässt sich ein Hintertürchen offen.

Läuft da plötzlich ein heißer Flirt zwischen Sozialdemokraten und Liberalen? Techtelmechtelt SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mit Guido Westerwelle und findet dort Anklang? Von wegen. Der FDP-Vorsitzende ist nach der jüngsten Sitzung des FDP-Präsidiums jetzt auf Distanz gegangen.

Ohne jedes Lächeln um die Lippen sagte er: "Die SPD hat ihr Personal verändert, aber nicht ihren Linkskurs." Sieht er irgendwo die Chance für eine rot-gelb-grüne Koalition nach der Bundestagswahl? "Eine Ampel mit der SPD sehe ich nicht." Denn das Land "braucht eine Koalition, die etwas von Wirtschaft versteht." So gesehen wird nicht sozial-liberal geflirtet. Westerwelle: "Da ist nichts im Busch." Eine inhaltliche Grundlage für eine Ampel mit SPD und Grünen sieht er nicht.

Ohrfeige für die SPD

So betrachtet war die FDP-Pressekonferenz an diesem Montag eine heftige Ohrfeige für die SPD. Dabei hatte deren parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann den Liberalen im "Morgenmagazin" jede Menge Streicheleinheiten verabreicht. "Die FDP wäre ein Partner für uns", lockte er, zumal man in der Außenpolitik und in der Bildungspolitik ja reichlich Gemeinsamkeiten pflege. "Sehr gut vorstellen", könne er sich ein rot-grün-gelbes Bündnis. Und Steinmeier selbst hatte zuvor ebenfalls freundliche Signale seitens der FDP geortet. "Die FDP zeigt Neugier", sagte er in der "Süddeutschen Zeitung". Dies war seine Antwort auf die anerkennenden Worte, mit denen FDP-Generalsekretär Dirk Niebel den Machtwechsel bei den Genossen kommentiert hatte.

Doch wirklich gesagt, was nach der Bundestagswahl 2009 koalitionspolitisch geschehen könnte, ist damit nichts. Klar, falls es dann zu einer Mehrheit von CDU/CSU und FDP reichen sollte, wird Schwarz-Gelb die Republik regieren. Wenn nicht, ist alles möglich.

Bei der SPD ist alles klar. "Unsere Ziellinie sind 34 Prozent. Und dann hoffen wir auf acht Prozent Grüne und acht Prozent Liberale." Das sagt einer der engsten Vertrauten Steinmeiers. Eine andere Regierungschance sieht die SPD nicht, von der Neuauflage der Großen Koalition einmal abgesehen. Jedes Bündnis mit der Linkspartei ist ohne jede Fluchtklausel ausgeschlossen worden.

Die Grünen sind entzückt vom SPD-Wechsel

Die Grünen wiederum beobachten den Wechsel von Beck zu SPD-Chef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier entzückt. Ihr kommender Spitzenkandidat Jürgen Trittin sieht gute Chancen für ein Bündnis seiner Partei mit SPD und Liberalen. Der grüne Fraktionschef Fritz Kuhn sagt ebenfalls, es gebe jetzt mit Steinmeier gute Chancen auf eine Koalition von SPD, Grünen und FDP. Doch seit in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition regiert, wird von den Grünen keineswegs mehr ein Bündnis mit FDP und CDU/CSU um jeden Preis ausgeschlossen. Vorausgesetzt, die Union verzichtet für diesen Fall von vornherein auf den Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bei den Liberalen ist die Lage nur auf den ersten Blick klar. Westerwelle strebt eindeutig auf eine schwarz-gelbe Koalition zu. Spekuliert wird dabei darauf, dass enttäuschte bisherige CDU-Wähler, vor allem aus dem wirtschaftlichen Bereich, dann zur FDP wechseln. Erlaubt das Wahlergebnis dieses Bündnis, wird die FDP schnurstracks darauf eingehen. In der FDP-Koalitionsaussage, die der nächste FDP-Parteitag beschließen wird, wird es allerdings keine Ausschlussklauseln im Blick auf andere Bündnisse geben. Das heißt: Eine Hintertür bleibt, was für Westerwelle überlebenswichtig ist. Denn wenn er es dieses Mal nicht schafft, die FDP nach zehn Jahren Opposition wieder auf Ministersessel zu platzieren, dürfte ihm alsbald der Parteivorsitz entzogen werden. Seine parteinternen Gegner stellen in diesem Zusammenhang eine pikante Frage: Was macht Westerwelle eigentlich, wenn es eine SPD-Grüne-FDP-Mehrheit gibt, in der die Grünen das bessere Ergebnis erzielt haben? Denn dann dürfte mit Sicherheit Trittin das von Westerwelle angestrebte Außenministerium beanspruchen.

Keine Geheimabsprache zwischen Merkel und Westerwelle

Als absoluten Unsinn bezeichnet Westerwelle allerdings die Behauptung, er habe mit seiner Duzfreundin Angela eine "Geheimabsprache" getroffen, wonach es keine Neuauflage der Großen Koalition geben wird und die FDP bereit wäre, eine sogenannte "Jamaica"-Koalition – Union, FDP, Grüne – mitzumachen. Die FDP wiederum soll darin zugesichert haben, auf keinen Fall mit SPD und Grünen ins Koalitionsbett zu steigen.

Eine Koalition von Liberalen und SPD wäre zwar mit Blick auf die Außenpolitik durchaus möglich. Wirtschaftspolitisch ginge indes nur wenig zusammen. Dennoch gibt es einige FDP-Politiker, die ein Bündnis mit der SPD durchaus wagen würden, wenn es sonst keine Alternative gibt. Leicht würde es nicht werden. Denn selbst die Rechtsstaatsliberalen in der FDP, die immer noch mit gewisser Sehnsucht an die sozial-liberalen Zeiten zurückdenken, blicken mit reichlich Zorn auf die SPD.

Der FDP-Rechtspolitiker Max Stadler zu stern.de: "Der SPD-Innenpolitiker Otto Schily hat uns Dinge zugemutet, die aus liberaler Sicht unerträglich waren. Die SPD-Justizpolitikerin Brigitte Zypries ist nicht besser als Schily, denn aus ihrem Haus kommt der Gesetzentwurf für die Vorratsdatenspeicherung, mit der in das Privatleben von Millionen unverdächtiger Bürger eingegriffen wird."

Unterm Strich steht: Die FDP wird jede Chance wahrnehmen, 2009 wieder mitzuregieren. Sie fühlt sich stark wie selten zuvor. Das sei auch der Grund, höhnt Westerwelle, weshalb die CSU jetzt im bayerischen Wahlkampf die FDP als ihren Hauptgegner entdeckt habe. Das zeige doch überdeutlich, "welcher Körperteil der CSU auf Grundeis geht."