FDP-Chef Guido Westerwelle will auf vorgezogene Neuwahlen hinarbeiten und hat seine Partei zu einem eigenständigen Kurs gegenüber der Union aufgerufen. Nach "schweren Zeiten mit tragischen Augenblicken" im vergangenen Jahr sei die Partei wieder gut aufgestellt, sagte Westerwelle am Samstag auf dem FDP-Bundesparteitag in Dresden. Unter dem Beifall der 662 Delegierten forderte der Parteichef, "mit allen Kräften" an einem Regierungswechsel noch vor 2006 zu arbeiten.
Gedenkminute für Möllemann
Auf dem Parteitag wollten die Liberalen ein Eckpunktepapier für einen radikalen Wechsel der Sozial- und Steuersysteme verabschieden. Es soll Grundlage für den kommenden Bundestagswahlkampf sein. In einem Gesundheitskonzept tritt die FDP für eine Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung und vollständige Überführung in eine private Versicherung ein. Zur Abstimmung lag ebenfalls ein Programm zum Aufbau Ost vor, das für eine gezielte Förderpolitik mit Steuererleichterungen in den neuen Ländern wirbt.
Gleich zu Beginn der Beratungen erinnerte die Parteiführung in einer Gedenkminute an den früheren stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen Möllemann, der auf den Tag genau vor einem Jahr mit dem Fallschirm in den Tod gesprungen war. Auch wenn "wir am Schluss gegeneinander standen", sagte Westerwelle, werde Möllemanns Engagement für die liberale Sache niemand leugnen.
FDP will Volksabstimmung über EU-Verfassung
Der Parteichef rief dazu auf, alles für eine vorzeitige Ablösung der Bundesregierung zu tun. "Jedes Jahr länger Rot-Grün ist ein verlorenes Jahr für Deutschland", sagte er. "Fällt Rot-Grün in Düsseldorf und in Kiel, dann fällt Rot-Grün auch in Berlin." Westerwelle betonte: "Wir verlassen uns nicht auf Neuwahlen vor 2006, aber wir arbeiten mit allen Kräften daran."
In seiner Rede plädierte der FDP-Chef für eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung. "Wenn eine Verfassung in die Herzen der Menschen kommen soll, dann brauchen wir eine Debatte und auch eine Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger." Heftig kritisierte Westerwelle die Grünen, die für "Volksabstimmungen über jeden Krötentunnel" seien, aber bei Europa die Bürger nicht fragen wollten.
EU-Stabilitätskriterien in Verfassung verankern
Einzug halten in eine europäische Verfassung sollten auch die EU-Stabilitätskriterien, sagte der FDP-Vorsitzende. Der Bundesregierung warf er vor, "die Axt an die Wurzel der europäischen Einigung" gelegt zu haben, indem sie die europäische Währung in Frage stelle. Den Widerstand der Liberalen kündigte er bei einer europaweiten Mindeststeuer an, wie sie von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber vorgeschlagen worden sei.

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FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper rief den Parteitag auf, sich die Entwicklung Ostdeutschlands zur Herzenssache zu machen. "Der Osten muss der Reformmotor Deutschlands werden", betonte sie. Das größte Hindernis für den wirtschaftlichen Aufschwung sei die Bundesregierung selbst.
Aufbrechen der Tarifautonomie
Westerwelle verlangte ein Aufbrechen der Tarifautonomie. "Wir wollen mehr betriebliche Bündnisse, weil wir für Selbstbestimmung sind", sagte er. Wenn 75 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes in geheimer Abstimmung dafür seien, "soll das gemacht werden". Die SPD betreibe das Gegenteil der Agenda 2010. Der neue SPD-Vorsitzende Franz Müntefering stehe für die Verlängerung der Vergangenheit und sei ein Vorsitzender, "der der alten Tante SPD die Rheumadecke auflegt." (AP)