Hass auf Flüchtlinge Ost-Ministerpräsidenten sehen Rechtsextremismus als gesamtdeutsches Problem

Obskure Bürgerwehren in Suhl, rechtsradikale Ausschreitungen in Heidenau, Brandanschlag in Nauen - seit Monaten sind ostdeutsche Gemeinden durch fremdenfeindliche Attacken in den Schlagzeilen. Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer sehen Fremdenhass dennoch als gesamtdeutsches Problem.

Ostdeutschlands Ministerpräsidenten wehren sich gegen eine Stigmatisierung ihrer Bundesländer angesichts der Zunahme fremdenfeindlicher Übergriffe auf Asylunterkünfte. In der "Welt am Sonntag" erklärten fünf Ost-Regierungschefs, das Problem des Fremdenhass sei eine gesamtdeutsche Entwicklung. In Heidenau blieb die Lage am Wochenende ruhig - das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die Bedeutung der Stadt für die Flüchtlingsdebatte hervorgehoben und das Versammlungsverbot aufgehoben.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) warnte in der "WamS", "hier vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen". Zwar nehme er die Zahlen zu fremdenfeindlichen Übergriffen "sehr ernst". Es handele sich aber um eine deutschlandweite Entwicklung, wie Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte etwa in Bayern und Baden-Württemberg zeigten.

Thüringen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) pflichtete bei: "Wir reden von einem gesamtdeutschen Problem, das wir gesamtdeutsch bekämpfen müssen", forderte er in der "WamS". Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hob hervor, dass es sich um "eine Herausforderung für das ganze Land und die Gesellschaft" handele.

Sachsen hat ein Problem

Tillich äußerte sich zugleich kritisch über die Entwicklungen in seinem Bundesland: "Zur Wahrheit gehört, dass es in Sachsen eine nicht zu unterschätzende rechtsextremistische Szene gibt." Es gebe keine einfache Erklärung dafür, "warum manche denen hinterherlaufen". Der Regierungschef von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), warnte in der "WamS" vor "Ost-West-Debatten". Die Deutschen stünden "in Ost und West gleichermaßen vor der Aufgabe, rechtsextremes Gedankengut entschieden zurückzuweisen und rechtsextreme Straftaten konsequent zu verfolgen".

Derweil nahmen nach Polizeiangaben am Samstag in Dresden etwa 5000 Menschen an einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge teil. Von diesen fuhren demnach etwa 400 nach Heidenau weiter, wo sie Samstagabend einen Aufzug zu der von fremdenfeindlichen Ausschreitungen betroffenen Flüchtlingsunterkunft machten. Nach einer Kundgebung dort, an der sich auch Flüchtlinge aus der Unterkunft beteiligt hätten, habe sich der Aufzug wieder aufgelöst. Laut Polizei blieb alles friedlich, auch am Sonntag sei es zu keinen weiteren Auffälligkeiten in Heidenau gekommen.

Um das Demonstrationsrecht in dem Ort hatte es zuvor ein politisches und juristisches Tauziehen gegeben. Am Samstag hob das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einer Eilentscheidung das vom örtlichen Landratsamt verhängte Versammlungsverbot auf.

Polizeigewerkschaft fordert Sicherheitszonen

Das Verfassungsgericht begründete seine einstweilige Anordnung mit einem Verweis auf die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit. Den Bürgern müsse die Möglichkeit gegeben werden, "sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung durch ein 'Sich-Versammeln' zu beteiligen", schrieben die Richter. Der Stadt Heidenau komme "für das derzeit politisch intensiv diskutierte Thema des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa besondere Bedeutung zu".

Der Linken-Fraktionschef in Sachsen, Rico Gebhardt, kündigte ein parlamentarisches Nachspiel des Versammlungsverbots an. Die regierende CDU habe noch nicht begriffen, dass die Unterbringung von Flüchtlingen nicht nur eine technisch-organisatorische Herausforderung sei.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte nach den Erfahrungen in Heidenau die Einrichtung von mehr Sicherheitszonen, um rechte Randalierer abzuhalten. Außerdem solle die Umgebung von Flüchtlingsunterkünften mit Videokameras überwacht werden.

AFP
ono