Kolumne: Hier spricht der Boomer Hier kommt die To-Do-Liste für Deutschlands nächste Kanzlerin oder nächsten Kanzler

Von Frank Schmiechen
Eine weiße Frau mit schulterlangen, braunen Haaren steht mit FFP2-Maske unter freiem Himmel in der Sonne.
Die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock (Grüne) steckt gerade in einer undurchsichtigen Staubwolke fest
© Michael Kappeler / DPA
Es gibt viel zu tun. Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Die Ära Merkel ist bald beendet. Im Herbst wird gewählt. Haben wir Kanzler-Kandidaten, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind? Unser Autor hat eine To-Do-Liste – und einige Zweifel.

Deutschland braucht frischen Wind. Dringend. Kanzlerin Angela Merkel tritt nach 16 Jahren Regierungsverantwortung ab. Die Pandemie lässt sich offenbar durch Impfungen in den Griff bekommen. Die Voraussetzungen sind also gut, einen Neuanfang zu wagen. Es gibt so viele Aufgaben, die unser Land bewältigen muss.

Deutschland muss schneller, digitaler und intelligenter regiert werden, wenn Wohlstand und Zukunftsfähigkeit erhalten bleiben sollen. Wir haben eine Kandidatin und zwei Kandidaten, die Deutschland zukunftsfähig machen wollen. Hier kommt meine To-Do-Liste für Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz.

Daten

Die globale Wirtschaft der Zukunft dreht sich um Veredelung von Daten. Alle Maschinen, alle Arbeitsvorgänge und Lebensäußerungen werden ihren Niederschlag in einem unendlichen Datenstrom finden. Wer mit diesem Reichtum an Informationen virtuos umgeht, gestaltet die Wertschöpfung der Zukunft.

Deutschland hat sich bis jetzt eher als digitaler Bremser präsentiert. Mahner und Warner haben bei uns das Kommando. Das wird sich bitter rächen. Von den Verantwortlichen in der Regierung, die das Thema vorantreiben sollten, hört man wenig. Treiber der digitalen Entwicklung in Deutschland war vor allem die Pandemie. Plötzlich sind Videokonferenzen an der Tagesordnung. Wenn das Internet schnell genug ist. Welcher Kanzler oder welche Kanzlerin wird diesem Thema endlich gerecht?

Tempo

Deutschland hat Rücken und Stress. Alles geht so schnell. Man sehnt sich nach Erholung, digitalem Detox und einer entspannenden Massage auf Mallorca. Ich habe schlechte Nachrichten: Die Welt wird sich in Zukunft noch schneller drehen. Die gute Nachricht: Das ist gar nicht schlimm, wenn wir lernen, wie man damit umgeht.

Piepsende Handys sind kein Problem, wenn sie so eingestellt sind, dass jeder Pieps sinnvoll ist. Twitter kann ein wundersames Kommunikationsinstrument sein. Wenn man weiß, wie es funktioniert. Wer das alles als Belastung versteht und lieber auf dem Land Rüben anpflanzen will, sollte das unbedingt tun. Alle anderen müssen sich kümmern und ihrer eigenen Verantwortung gerecht werden, wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen. Wir brauchen jemanden an der Spitze der Regierung, der das versteht. 

Intelligenz

Einkaufen hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Genau wie gute Kleidung und Wirtschaftswachstum. Ein gut sitzender Anzug kann hierzulande den Ruf eines Politikers ruinieren. Die Welt soll vor allem mit Verzicht gerettet werden. Von allem etwas weniger und schon wird alles besser, hofft man. Auf den Verpackungen unserer Lebensmittel steht vor allem, was nicht enthalten ist.

Jorunalist Frank Schmiechen

Frank Schmiechen

Seit mehr als 30 Jahren ist Frank Schmiechen Journalist. Unter anderem war er stellvertretender Chefredakteur der "Welt" und Chefredakteur von "Gründerszene". Heute arbeitet er als Senior Advisor bei der Kommunikationsberatungsagentur WMP Eurocom. Schmiechen liebt Popmusik und Fußball.

Mit Verzicht werden wir niemanden retten. Auch das Klima nicht. Den Rest der Welt schon gar nicht. Wir brauchen weniger Verzicht, aber mehr Intelligenz. Es geht darum, eine hochindustrialisierte Wirtschaft umzubauen, um intelligentes Wachstum. Deutschland muss eine intelligente Wirtschaft, intelligente Arbeitswelt, intelligente Ausbildungs- und Schulwelt bauen, statt Leute zu Konsumverweigerern umzuerziehen. Das klappt sowieso nicht. Das sollte auch die nächste Kanzlerin oder der nächste Kanzler wissen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Blick auf die Kandidaten ernüchtert. Das ist Armin Laschet. Er wirkt wie eine unscharfe Reflexion eines CDU-Politikers aus den 80er Jahren. Seltsam schwammig und konturlos. Aber sein väterliches Lächeln gefällt vielen Deutschen. SPD-Kandidat Olaf Scholz verteilt gerade großzügig Hunderte Milliarden, von denen niemand weiß, wie sie jemals zurückverdient werden sollen. Er selber auch nicht.

Viele hatten auf Annalena Baerbock von den Grünen gesetzt. Sie hat frischen Wind versprochen. Doch ihre Kandidatur steckt gerade in einer undurchsichtigen Staubwolke fest. Vor allem, weil auch sie in den alten Ritualen des Politikbetriebes steckengeblieben ist. Keine Fehler zugeben. Mehr Schein als Sein. Ein Buch schreiben, auch wenn man gar keine Zeit dafür hat. Vom frischen Wind für Deutschland ist in diesem Sommer leider nur ein laues Lüftchen zu spüren. 

tkr