Führungswechsel bei der Bundespolizei Polizeigewerkschaften attackieren Innenminister

"Menschlich unanständig": Gewerkschaftsvertreter finden harte Worte für die Pläne von Bundesinnenminister Friedrich (CSU), die Führungsspitze der Bundespolizei komplett auszutauschen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die politische Führung wegen der geplanten Ablösung der Bundespolizei-Spitze heftig kritisiert. Dieser Schritt werde die enormen Probleme der Bundespolizei nicht lösen, prophezeite der zuständige GdP-Bezirksvorsitzende Josef Scheuring in einer Erklärung. Die Ablösungsentscheidung, mit der Spitzenbeamte grundsätzlich rechnen müssten, sei im Falle von Bundespolizei-Chef Matthias Seeger zudem von einer "öffentlichen persönlichen Rufbeschmutzung" und "falschen Verdächtigungen" begleitet. Seeger waren über Medien Verbindungen zum autoritären Regime Weißrusslands vorgeworfen worden.

"Es gab unzweifelhaft Spannungen innerhalb der Führung und zum Bundesinnenministerium. Das mag zu der Ablösung führen, ist aber nicht Ursache der Probleme der Bundespolizei", sagte Scheuring.

Immer mehr Aufgaben, immer weniger Personal

Er beklagte eine wachsende Kluft zwischen immer mehr Aufgaben im In- und Ausland und immer weniger Geld und Personal. Das führe zu "einer extremen Überlastungssituation" und angesichts schlechterer Berufsperspektiven zu "massivem Frust" in der Bundespolizei. Dies alles sei bekannt, "ohne dass die politisch Verantwortlichen im Bundesinnenministerium, im Innen- und Haushaltsausschuss des Bundestages jedoch die notwendigen Umsteuerungen bisher vorgenommen hätten".

Auch aus den Reihen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist der offenbar geplante komplette Führungswechsel bei der Bundespolizei scharf kritisiert worden. Der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt nannte den Vorgang "schäbig und menschlich unanständig", wie es in einer am Samstag in Berlin veröffentlichten Erklärung hieß. Der Chef der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft, Ernst G. Walter, sprach von "beispielloser Ungerechtigkeit".

Im Gegensatz zum Verfassungsschutz und zum Bundeskriminalamt, die von einer Welle von Skandalen erschüttert worden seien, habe es für die Bundespolizei nur Erfolgsmeldungen gegeben, hieß es in der Erklärung weiter. "Die Bundespolizei ist die erfolgreichste Sicherheitsbehörde des Bundesinnenministers", erklärte Walter. "Bei schwierigen Demonstrationslagen", in allen Grenzregionen, auf Bahnhöfen und Flughäfen sei innere Sicherheit ohne die Bundespolizei nicht vorstellbar. "Der Kahlschlag an der Führung ist von himmelschreiender Ungerechtigkeit", ergänzte er.

"So geht man nicht mit erfolgreichen Polizeiführern um"

Wendt äußerte sich empört über die mutmaßlichen Umstände des Führungswechsels: "So geht man nicht mit erfolgreichen Polizeiführern um, die immer Loyalität und Pflichterfüllung gezeigt haben."

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will laut dem Magazin "Focus Online" nicht nur Bundespolizei-Präsident Matthias Seeger ablösen, sondern auch dessen beide Stellvertreter Wolfgang Lohmann und Michael Frehse. Seegers Nachfolger soll demnach der bisherige Referatsleiter für Terrorismusabwehr im Bundesinnenministerium (BMI), Dieter Roman, werden. Hintergrund ist offenbar der Widerstand der Polizeispitze gegen Reformpläne der Regierung.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte von der erwarteten neuen Führung der Bundespolizei die Konzentration auf ihre Kernkompetenz. "Bei keiner anderen Sicherheitsbehörde des Bundes hat es in den vergangenen 20 Jahren so viele organisatorische Veränderungen gegeben wie bei der Bundespolizei", sagte Bosbach der "Bild am Sonntag". Deshalb sei es "ganz wichtig", dass die neue Führung und die Politik dafür sorgten, "dass sich die Bundespolizei zukünftig wieder zu 100 Prozent auf ihre Kernaufgabe, die Gewährleistung der Sicherheit, konzentrieren kann".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Kompletter Tausch an der Spitze der Bundespolizei

Offenbar steht auch schon die Nachfolge fest: Bundespolizeipräsident Matthias Seeger wird durch den Referatsleiter für Terrorismus-Bekämpfung im Innenministerium, Dieter Roman, ersetzt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen.

Es gebe große Unzufriedenheit darüber, dass die Bundespolizei immer wieder mit Interna in die Öffentlichkeit geraten sei, hieß es in Koalitionskreisen zur Begründung für den Personalwechsel. Der 57 Jahre alte Seeger amtierte seit 2008. Intern umstritten war er auch wegen seiner Kontakte zum autoritären Regime in Weißrussland. Seeger soll an diesem Montag offiziell über seine Ablösung informiert werden. Verkündet werden sollen die Personalien in der Kabinettssitzung am Mittwoch.

Der künftige Bundespolizeichef Roman war maßgeblich an der Razzia gegen radikal-islamische Salafisten Mitte Juni beteiligt. Dabei waren an 80 Orten in sieben Bundesländern zahlreiche Wohnungen, Vereinsräume und eine Moschee durchsucht worden.

Neue Vizepräsidenten werden sollen laut "Focus Online" er Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder im Bundesministerium, Jürgen Schubert, und der Haushaltsreferatsleiter in der Zentralabteilung des Ministeriums, Ministerialrat Franz Palm. Ein Ministeriumssprecher sagte auf Anfrage, das Ministerium nehme zu Personalspekulationen nicht Stellung.

Die Bundespolizei ist für die Sicherheit im Bahnverkehr, an den Land- und Seegrenzen und auf den großen Flughäfen zuständig. Sie hat gut 40.000 Mitarbeiter, darunter rund 32.000 Vollzugsbeamte.

DPA
tkr/DPA/AFP