Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement persönlich verantwortlich gemacht für das Gelingen der Hartz-IV-Reformen. Die Regierung werde sich im ersten Vierteljahr 2005 darauf konzentrieren, "die Umsetzung der Arbeitsmarktreform hinzubekommen", sagte Schröder in einem Interview mit dem stern. Und das heiße, "dass die Verantwortung eindeutig beim Bundeswirtschaftsminister liegt". Clement muss nach Schröders Worten dazu jede Woche im Kabinett "einen Vortrag" abgeben.
Schröder rechnet mit steigenden Arbeitslosenzahlen
Für Januar rechnet Schröder mit einer steigenden Arbeitslosenzahl. Eine Ziffer wollte er nicht nennen: "Die Schätzungen lagen anfangs bei 500.000, nun bei 250.000, die Bundesagentur für Arbeit meint, weit darunter. Niemand weiß es genau." Der Anstieg sei darauf zurückzuführen, dass "die Arbeitsvermittlung sich jetzt endlich auch um die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger kümmert". Eine Erfolgsprognose für die Reformen mochte der Kanzler nicht abgeben. "Wir müssen abwarten, wie effektiv die reformierte Arbeitsagentur sein wird und wie sich die Konjunktur entwickelt", so Schröder im stern.
Scharfe Kritik übte der Bundeskanzler an den Krankenkassen. "Die Kassen könnten die Beiträge senken", sagte Schröder. Die Politik könne dies nicht anweisen, sondern sei auf Goodwill angewiesen – "und der fehlt bei einigen Vorständen". Den Rentenbeitrag, so kündigte Schröder an, wolle die Regierung im kommenden Jahr "stabil halten".
Mehr finanziellen Spielraum für die Bundesrepublik erhofft sich der Kanzler durch eine neue Interpretation des europäischen Stabilitätspaktes. Nach seinen Worten werden Staaten, die Strukturreformen durchgeführt haben, "sicher mehr Freiheit erhalten". Offen sei, ob Nettozahlungen in der EU künftig bei der Defizitberechnung berücksichtigt werden. Wenn ja, könnte das laut Schröder die deutsche Schuldenquote "um etwa 0,5 Prozent drosseln".
Persönlich bezeichnete Schröder das Jahr 2004 als das schwerste seiner Amtszeit. "In einer so zugespitzten Auseinandersetzung wird man härter", sagte er. Es habe im Büro Situationen gegeben, "in denen man mir lieber aus dem Weg" gegangen sei. In manchen Nächten vor besonderen Entscheidungen sei er "schon um fünf auf" gewesen und habe nicht mehr einschlafen können. Als er während des SPD-Parteitags, auf dem er seinen Parteivorsitz abgegeben habe, in die weinenden Augen seiner Frau blickte, habe er nicht kühl bleiben können: "Auch mir war zum Heulen zumute."
Kanzler glaubt an Wahlsieg 2006
Schröder zeigte sich überzeugt, dass er 2006 die Bundestagswahl erneut gewinnen werde – gegen Angela Merkel. "Was immer die Herren Wulff und Koch für sich persönlich erträumen mögen", niemand könne Merkel "wirklich gefährlich werden”. Daher, so Schröder zum stern, "wird die Union sie mit schlechtem Gewissen aufstellen".