Der Abwasch der Woche "Und alle so: Yeaahh!"

So, jetzt gilt's. Nach Monaten handfester Streits, emotionaler Debatten und hitziger Duelle, kurzum, nach diesem Feuerwerk der Demokratie steht fest: Am Sonntag wird gewählt. Zeit für den Abwasch.

In der vergangenen Woche gingen alle Wahlkämpfer darum noch mal aufs Ganze - mit teils kruder Unterstützung. Das kam so: "Die Kanzlerin kommt", stand auf dem Ankündigungsplakat. Jemand hatte mit Stift dahinter gekritzelt: "Und alle so: Yeaahh!" Und so kam es dann auch. Wo die Königin der Herzen auch auftritt, um zu ihren Untertanen zu sprechen, um von ihren Erfolgen zu schwärmen und für ihre Vorhaben zu werben (gut, das jetzt weniger), da wurde sie immer auch von jungen Menschen gefeiert. Frenetisch. Sie trugen Schilder in Händen mit der Aufschrift "Yeaahh!", sie skandierten nach jedem ihrer Sätze "Yeaahh!"

Bei so viel Unterstützung wollte der Uraltkanzler nicht im Abseits stehen und ließ sich von "Bild" zu einem Interview überreden. Und alle so: Yeaahh! Frage: "In den aktuellen Umfragen schmilzt der Vorsprung von Schwarz-Gelb aber dahin... Kohl: ...und nur deshalb habe ich mich von Ihnen ja zu diesem Interview überreden lassen - weil ich möchte, dass Schwarz-Gelb gewinnt."

Ist aber auch ein Netter, dieser Kohl, dass er der Angela auf den letzten Metern hilft. Man könnte aber sagen: Da ist die Merkel nun gerade bei ihm in Oggersheim gewesen, hat Kuchen mit ihm gemümmelt, Käffchen getrunken und sich seine alten Einheitsstorys angehört - und der Alte traut ihr immer noch zu, dass sie die Wahl vergeigt.

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Dann gibt's Feuer im Schlafwagen. Zumindest nach der Wahl könnte es dann doch noch ein wenig emotionaler werden. Bei der Union, wenn Schwarz-Gelb auch im dritten Anlauf nach 1998 keine eigene Mehrheit zustande bringt. In der SPD, wenn nach elf Jahren an der Regierung nun endgültig die Oppositionsbank ruft.

Letzterem sollte wohl auch eine Anzeige in diversen Tageszeitungen vorbeugen helfen. Freundlicher Herr Steinmeier vor dunkler Wand, an der die Porträts der bisherigen Kanzler der SPD hängen. Dazu ein Satz: "Er wird regieren wie sie." Drei Fragen ploppen auf wie Popup-Fenster: 1. Wann? 2. Mit wem? Und 3. Als was? Und Überhaupt: Regieren wie Schröder? Agenda 2020, Basta, keine Widerrede? Oder wie Schmidt, der olle Oberlehrer? Den die Genossen wegen des Nato-Doppelbeschlusses fast gestürzt hätten? Gar wie Brandt? Gut, nichts gegen den toten Willy. Aber "Mehr Demokratie wagen" klang irgendwie spannender als "Unser Land kann mehr."

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Doch dann gab es am Freitag noch eine ganz neue Variante der Schützenhilfe. Wieder als Anzeige in der Zeitung: "Deutschland muss nach meiner Überzeugung wieder ein Land des Fortschritts werden. Dafür unterstütze ich bei dieser Wahl mit meiner Stimme Dr. Guido Westerwelle." Unterschrift: Wolfgang Clement. Ja, genau der Clement, Ex-Ministerpräsident von NRW, Ex-Superminister unter Schröder, der sich voriges Jahr wegen seines Aufrufes zur Nicht-Wahl von Andrea Ypsilanti aus der SPD werfen lassen wollte und dann beleidigt austrat, weil die Genossen ihm den Gefallen dann doch nicht taten. Clement also. Für Westerwelle. Wie gemein? Weit gefehlt: Das war er seinem alten Kumpel Steini schuldig, so viel Mobilisierungshilfe für die SPD muss sein. Der Bonner FDP-Ortsverein hat das natürlich nicht durchdacht und war so frei, die Anzeige auch noch selbst zu bezahlen.

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Wie hilfreich, und vor allem für welche Seite, der jüngste TV-Auftritt des neuen Wirtschaftsgottes von und zu Guttenberg war, wird sich auch erst am Sonntag erweisen. Der Baron prophezeite äußerst mutig, dass wir uns "von so manchem Liebgewonnenem" verabschieden werden müssen. Potzblitz! Und wovon genau? Am Ende gar von der Großen Koalition? Von den hohen Steuersätzen? Dem freundlichen Spätsommerwetter? Oder diesem hinreißenden Wahlkampf der vergangenen Wochen?

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Ex-Bahn-Maskottchen Hartmut Mehdorn hatte Guttenberg vermutlich nicht im Sinn. Der sympathische Schienenbeißer koppelt nämlich bei der einstigen Investmentbank Morgan Stanley an. Wie diese Woche bekannt wurde, soll er sich als Berater um internationale Transportgeschäfte kümmern, vor allem in Asien und Amerika oder so. Schlechte Nachrichten für chinesische Bahnreisende und für amerikanische Suburb-Pendler: Achsenterror, Bremsensorgen, Spähattacken gehen in Export. Uns bleiben die zum Glück ja auch so erhalten.

Jan Rosenkranz ist Redakteur im Berliner stern-Büro. Die Kolumne "Der Abwasch der Woche", die verschiedene Autoren schreiben, kommt immer samstags.