Gesetzesverschärfung Abmarsch für Neonazis

Mit verschärften Gesetzen will die Regierung den Rechtsradikalen das Leben schwer machen. Aufmärsche an symbolträchtigen Orten sollen künftig verboten werden können.

Die Verfassungsminister Otto Schily und Brigitte Zypries stellten am Freitag entsprechende Rechtsverschärfungen zum Schutz von Orten mit geschichtlicher Symbolik vor. Vorrangiges Ziel sei es, am bevorstehenden 60. Jahrestag des Kriegsendes Deutschland vor Bildern zu bewahren, die immer stärker an das Gepräge historischer Aufmärsche des NS-Regimes erinnerten.

Die NPD hatte für den 8. Mai - den 60. Jahrestag des Kriegsendes - Demonstrationen am Brandenburger Tor angekündigt. Um das zu verhindern, haben Schily und Zypries eine kurzfristige Verschärfung des Versammlungsrechts und des Straftatbestands der Volksverhetzung vorgeschlagen.

Rechtslücke schließen

Der Preis dafür sind allerdings Grundrechtseinschränkungen. Dennoch stieß die Initiative überwiegend auf Zustimmung bei den Parteien und bei der Polizei. Mit den geplanten Rechtsänderungen soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die bisher von NPD und anderen Rechtsextremisten ausgenutzt wurden. Im einzelnen geht es um Verschärfungen im Versammlungsrecht sowie im Strafgesetzbuch durch Erweiterung des Straftatbestandes der Volksverhetzung.

Stichwort: Versammlungsrechts

Die Versammlungsfreiheit ist in Artikel 8 des Grundgesetzes garantiert. Nach der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts darf ein Demonstrationsverbot nicht dazu dienen, politisch missliebige oder extreme Meinungsäußerungen bei einer Kundgebung zu unterdrücken. Einschränkungen können zulässig sein, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten ist.

Allerdings stellt das Gericht an die Gefährdungsprognose hohe Anforderungen. So muss eine durch Tatsachen begründete hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass es im konkreten Fall zu Gewalttätigkeiten kommt.

Um Verfassungsorgane des Bundes gelten nach dem Gesetz über befriedete Bezirke von 1999 besondere Regeln. Versammlungen rund um Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht sind zuzulassen, "wenn eine Beeinträchtigung der Tätigkeit" der Institutionen und "eine Behinderung des freien Zugangs zu ihren in dem befriedeten Bezirk gelegenen Gebäuden nicht zu besorgen ist". Das Brandenburger Tor gehört nicht zu den befriedeten Bezirken.

Die Orte, die mit Versammlungsverboten belegt werden können, sollen per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden. Dazu gehören in erste Linie das Holocaust-Mahnmal in Berlin und die Stätten ehemaliger Konzentrationslager. Unter den Begriff der Verherrlichung fällt künftig auch das Lobpreisen von NS-Führern an deren Geburts- oder Todestagen, so dass Aufmärsche an Hitlers Geburtstag oder am Grab von dessen Stellvertreter Rudolf Hess im fränkischen Wunsiedel unterbunden werden können.

Streitpunkt: Brandenburger Tor

Schily will es dem Bundestag überlassen, ob er das Brandenburger Tor in einen Schutzbereich gegen Demonstrationen einbeziehen will. In den vergangen Jahren habe es eine kontinuierliche Zunahme rechtsextremistischer Versammlungen gegeben, die sich in Themenwahl, Veranstaltungsort und Ausgestaltung anglichen, erklärte der Minister. Dort werde die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost, ihre Opfer verhöhnt. Es sei für Demokraten unerträglich, wenn beispielsweise in NPD-Kreisen die Stelen des Holocaust-Mahnmals bereits als Fundament einer künftigen Reichskanzlei bezeichnet würden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Zypries sagte, wegen der herausragenden Bedeutung der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei der Staat bisher sehr zurückhaltend gewesen, diese Grundrechte weiter einzuschränken. Jüngere Entwicklungen im rechtsextremistischen Lager hätten jedoch die Situation verändert.

"In einem Rechtsstaat sind auch Wirrköpfe Träger von Grundrechten"

Die Grünen begrüßten "die Intention" der Gesetzesinitiative, warnten aber vor zu weit gehenden Schritten: "In einem Rechtsstaat sind auch Wirrköpfe Träger von Grundrechten", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck.

Der Innenexperte der Unionsfraktion, Hartmut Koschyk (CSU), sieht Schily zwar mit der Verschärfung auf richtigem Wege, kritisierte die Pläne aber als "zahnlose Symbolpolitik". Er forderte erneut eine Ausweitung des "befriedeten Bezirks" um das Reichstagsgebäude, um auch am Brandenburger Tor rechtsextreme Aufzüge zu verhindern. Dies lehnt die Koalition bisher ab. Lobend äußerte sich auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es störe ihn schon lange, dass ein Hand voll Neonazis und deren Gegendemonstranten ganze Innenstädte lahm legen könnten. Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte es, dass Handlungsmöglichkeiten der Exekutive erweitert würden. Bayerns Innenminister Günter Beckstein, der sich erneut für ein NPD-Verbot aussprach, forderte in mehreren Interviews eine Ausdehnung der Sperrmeile um den Reichstag.

An diesem Wochenende richten sich erstmal alle Augen auf Dresden. Zum Gedenken an den 60. Jahrestag der Luftangriffe auf die Stadt werden am 13. Februar 90.000 Besucher erwartet. Der Leiter der Polizeidirektion Dresdens, Manfred Schweizer, rechnet mit einem möglichen Aufeinandertreffens rechtsextremistischer Demonstranten und Linksautonomer. Er verwies darauf, dass am Sonntag ein Aufmarsch der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), die unter der Schirmherrschaft der rechtsextremistischen NPD-Landtagsfraktion steht, sowie eine Gegendemonstration geplant sind. Schweizer rechnet mit 3000 Rechtsextrmisten und 1000 autonomen Demonstranten.

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AP/DPA