Gesundheitspolitik Jede dritte Klinik schreibt rote Zahlen

Ärzte bei einer Operation. Viele Kliniken halten eine Finanzspritze von 6,7 Milliarden Euro für nötig
Ärzte bei einer Operation. Viele Kliniken halten eine Finanzspritze von 6,7 Milliarden Euro für nötig
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Schlechte Zeiten für die Krankenhäuser in Deutschland: Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft erwirtschaftet jede dritte Klinik Verlust, 4000 Arztstellen können nicht besetzt werden. In den nächsten beiden Jahren werde sich die Lage und die Versorgung der Patienten weiter verschlechtern, warnen die Lobbyisten.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat ein düsteres Bild der Lage der Krankenhäuser in Deutschland gezeichnet: Jede dritte Klinik schreibe rote Zahlen, 4000 Arztstellen könnten nicht besetzt werden und der Ärztemangel führe längst zu gravierenden Problemen bei der Versorgung, erklärten die Vertreter am Mittwoch in Berlin. Sollte die Kostenlücke von 6,7 Milliarden Euro nicht geschlossen werden, müssten mindestens 20.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Am Ende stehe die Rationierung in der Patientenversorgung. "In Deutschlands Krankenhäusern herrscht Alarmstufe Rot", erklärte auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und beklagte eine unerträgliche Überbelastung des Klinikpersonals. Nach dem sogenannten Krankenhausbarometer, einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der DKG, rechnen zum Ende dieses Jahres nur noch 32 Prozent der Kliniken mit einem Überschuss (2007: 52 Prozent). 30 Prozent erwarten ein ausgeglichenes Ergebnis, 34 Prozent stellen sich auf rote Zahlen ein. Und jedes zweite Haus befürchtet, dass sich die Lage 2009 weiter verschlechtert.

Ingesamt sei 2008 und 2009 mit einem strukturellen Defizit von fünf Milliarden Euro zu rechnen, heißt es in der Studie. Nach Baums Einschätzung werden 30 der insgesamt 2100 Kliniken binnen eines Jahres schließen. "Der neue Kostenschub im Krankenhaus droht damit zu Lasten von Patienten und Mitarbeitern zu gehen."

Finanzkrise macht auch Kliniken zu schaffen

Die Bundesregierung hat den 2100 Krankenhäusern in einem Notpaket 3,2 Milliarden Euro zugesagt. Die Kliniken halten jedoch eine Finanzspritze von 6,7 Milliarden Euro für nötig. Baum appellierte an den Bundestag, das Hilfsprogramm nachzubessern. Andernfalls drohten Anfang 2009, wenn die vereinbarte Lohnsteigerung um fünf Prozent in Kraft trete, in vielen Häusern "ernsthafte Liquiditätsprobleme". Hinzu komme, dass auch immer mehr Kliniken unter der zögerlichen Kreditvergabe von Banken litten. "Nicht nur Banken und gewerbliche Wirtschaft, auch die Krankenhäuser brauchen Hilfe gegen die Finanzkrise", sagte Baum.

Die Ursache für die Kostenlücke sind der DKG zufolge Kostensteigerungen von acht Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr. Das beschlossene Hilfsprogramm der Koalition könne die Lücke nur teilweise schließen, sagte Baum. Den Großteil müssten die Kliniken selbst aufbringen. Dabei seien ihren Wirtschaftlichkeitsreserven längst ausgeschöpft. Die DKG forderte den Bundestag auf, das im Gesetz vorgesehene Hilfsvolumen als festen prozentualen Aufschlag auf die Fallpauschalenpreise zu beschließen, um langwierige Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen zu verhindern. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass mehr die Krankenhäuser erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 von den finanziellen Hilfen profitieren könnten.

Marburger Bund fordert umfassendes Hilfspaket

Auch der Marburger Bund verlangte, die Mittel für die stationäre Versorgung bei der Reform der Krankenhausfinanzierung deutlich stärker aufzustocken. "Aus der unterdosierten Finanzspritze muss ein umfassendes Hilfspaket für die Kliniken werden, das den staatlich diktierten Budgetdeckel komplett abschafft, die Tarifentwicklung vollständig refinanziert und konkrete Schritte zur Auflösung des Investitionsstaus und zur Erhöhung der regelmäßigen Investitionsförderung durch die Bundesländer vorsieht", sagte der Vorsitzende Rudolf Henke.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Das Bundesgesundheitsministerium nahm die Warnungen "mit Gelassenheit" auf. "Mit den zusätzlichen Mitteln werden die Patienten besser versorgt, das Pflegepersonal wird aufgestockt und die wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser gestärkt", erklärte der Sprecher der Behörde.

AP · DPA
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