Gesundheitsreform Drohbriefe an die Gesundheitsministerin

Wegen der Gesundheitsreform und der Praxisgebühr wird Sozialministerin Ulla Schmidt in drastischen Drohbriefen persönlich angegriffen.

Wegen der Gesundheitsreform wird Sozialministerin Ulla Schmidt in drastischen Drohbriefen persönlich angegriffen. Einige der Schreiben seien dem Bundeskriminalamt übergeben worden, das eine konkrete Bedrohung für die Politikerin prüfe, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater am Freitag in Berlin. Unterdessen ging der politische Streit um die Reformen, speziell um die Praxisgebühr für Zahnarztbesuche und die Zuzahlungsregelungen für Patienten, weiter. Die FDP beantragte im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Gesundheitsreform.

"Bild"-Zeitung: "Frau Ministerin, Sie machen uns krank"

Vater wie auch Regierungssprecher Béla Anda machten am Freitag vor allem die Berichterstattung und "Kampagne" der "Bild"-Zeitung für die persönlichen Angriffe verantwortlich. Die Zeitung lehnte eine Stellungnahme ab. Auslöser der Drohungen in Briefen, Faxen und E- Mails war laut Vater vor allem ein Bericht der "Bild"-Zeitung mit der Überschrift "Frau Ministerin, Sie machen uns krank". Danach habe es zahlreiche verletzende, diskriminierende und bedrohliche Briefe gegeben mit Sprüchen wie: "Sie gehören in die Gaskammer". Das Bundeskriminalamt prüfe einen "realen Gefährdungshintergrund".

Streitfall: Inkassorisiko

Die Praxisgebühren-Regelung für Zahnarztbesuche stößt beim Bundesgesundheitsministerium auf Vorbehalte. Das Ministerium erwägt, die Entscheidung des Bundesschiedsamtes zu beanstanden. "Wir prüfen das", sagte Vater. Auf Kritik stößt vor allem die Regelung für den Gebühreneinzug bei säumigen Patienten. Vater sagte, dieses Risiko werde "zu früh" auf die Krankenkassen abgewälzt. Er schloss juristische Schritte nicht aus und verwies auf die Regelung bei den Kassenärzten, wonach die Kassen erst nach ergebnislosem Mahnverfahren einspringen.

Das Bundesschiedsamt hatte entschieden, dass Patienten für zwei jährliche Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt die Praxisgebühr von zehn Euro nicht zahlen müssen. Außerdem bleibt das Inkassorisiko bei den Kassen. Der Arzt muss demnach dem Patienten, der die Gebühr nicht zahlt, zwar eine Zahlungsaufforderung mitgeben oder schicken. Anschließend muss aber die Kasse das Geld eintreiben. Der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Jürgen Fedderwitz, nannte den Schiedspruch einen "Sieg für eine vorsorgeorientierte Zahnmedizin". Dass Zahnärzte und Zahnärzteorganisationen mit dem Mahnverfahren nichts zu tun haben und kein Ausfallrisiko tragen, sei "nur konsequent".

Schwere Vorwürfe an die Adresse von Ulla Schmidt

Die Kassenzahnärztliche Vereinigung in Niedersachsen (KZVN) warf Schmidt vor, "mit Lügen zu operieren". Ihre Darstellung, die Praxisgebühr sei keine Kassengebühr, sondern eine Vorauszahlung auf das Honorar, sei falsch. Nutznießer der Praxisgebühr seien allein die Krankenkassen, sagte KZVN-Chef Karl Horst Schirbort. "Jede andere Darstellung ist eine bewusste Fehlinformation der Menschen in unserem Land, mithin also eine glatte Lüge."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Belastungen für kranke Sozialhilfeempfänger

Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlungen grenzen nach Auffassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI) Menschen mit geringen Einkommen aus der Gesundheitsversorgung aus. Die zusätzlichen Kosten schreckten diese ab, bei Bedarf medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Klare Richtlinien für die Bewertung chronisch Kranker forderte die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP). Diese Richtlinien werden derzeit auf Wunsch des Gesundheitsministeriums mit dem Ziel überarbeitet, den Kreis der Chroniker nicht zu eng zu ziehen.