Die Gesundheitsreform bleibt auch nach der grundsätzlichen Einigung der großen Koalition heftig umstritten. So zweifelt ein prominenter Verfassungsrechtler an der Vereinbarkeit einzelner Regelungen mit dem Grundgesetz. Der Chef von Deutschlands zweitgrößter Krankenkasse DAK, Herbert Rebscher, rechnet fest mit Nachbesserungen. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) rief die Koalitionspartner dazu auf, aus den scharfen Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen zu lernen: "Der Streit zeigt, wie es bei künftigen Reformen nicht laufen sollte", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, äußerte grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Reformpläne: "Ich bin der Überzeugung, dass zentrale Punkte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind", sagte er der "Thüringer Allgemeinen". Dazu zähle der Basistarif, den die privaten Krankenversicherungen anbieten müssen sowie die Beschränkung der beitragsfreien, teilweise steuerfinanzierten Versicherung auf die Kinder gesetzlich Versicherter. Der Nachwuchs Privatversicherter dürfe nicht als "Kinder zweiter Klasse" behandelt werden.
Beck rechnet mit Mehrheit im Bundestag und Bundesrat
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck rechnet trotz heftiger Kritik aus vielen Verbänden und von der Opposition mit einer ausreichenden Mehrheit für die umstrittene Gesundheitsreform in Bundestag und Bundesrat. "Ich bin sicher, die Einigung ist tragfähig", sagte er im ZDF.
DAK-Chef Herbert Rebscher kann sich aber nicht vorstellen, dass der Kompromiss "das Parlament unverändert passieren wird". Er verwies in der "Berliner Zeitung" darauf, dass "Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber schon angekündigt hat, dass man mit Blick auf den konkreten Gesetzentwurf die Dinge noch einmal diskutieren muss". CSU-Chef Stoiber hatte die Einigung der Koalitionsspitzen unter den Vorbehalt einer genaueren Prüfung gestellt.
Müntefering schießt gegen Stoiber
Das CSU-Präsidium stellte sich am Donnerstagabend einhellig hinter den Gesundheitskompromiss. In der Partei hatte es in den vergangenen Wochen starke Vorbehalte unter anderem gegen eine Erhöhung des Risikostrukturausgleichs gegeben.
Müntefering bezog indirekt noch einmal gegen Stoiber Stellung: "Die Koalition besteht nun mal aus drei Parteien - da hilft es nicht, wenn nur zwei sich einigen und die dritte nicht mitmacht", sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Koalition habe aber noch "große und schwierige Reformprojekte vor sich - die Rentenreform, das Thema Mindest- und Kombilohn, die Unternehmensteuerreform. Es wäre schön, wenn das nicht immer Nachtsitzungen würden."