Als "annus horribilis" von Günther Oettinger dürfte das Jahr 2007 in die Ländles-Geschichtsbücher eingehen. Gerade ging es mit dem Christdemokraten wieder aufwärts, dem geglückten politischen Durchbruch beim geplanten Riesenbahnhof "Stuttgart 21" sei Dank, da tappt Oettinger schon wieder in ein Fettnäpfchen. Oder besser: Tapp-esert in ein Festnäpfchen.
Die Geschichte: Klaus Tappeser ist Oberbürgermeister der schwäbischen Kleinstadt Rottenburg. Am Wochenende nun wurde Tappeser, seit 2006 auch Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag, fünfzig Jahre alt. Grund genug für zahlreiche Mitglieder der Landesregierung, sich ein Stelldichein in der Stadt am Neckar zu geben. Mit dabei natürlich auch: Der Ministerpräsident. Oettinger hielt eine launige Rede, bei der er nach Angaben der Zeitung "Schwäbisches Tagblatt" unter anderem diesen Satz fallen ließ: "Wenn Klaus Tappeser nicht Oberbürgermeister geworden wäre, wäre er sicher auch ein glänzender Frauenarzt geworden - bei den vielen Verehrerinnen, die hier sind."
Ein Mann, dem die Frauen vertrauen
Dazu muss man wissen, dass der etwas glatt wirkende Tappeser und seine charmante Ehefrau bei vielen Bürgern auch als "Kennedys von Rottenburg" laufen. Und dieses Image ist eben nicht nur Tappesers recht erfolgreicher Amtsführung, sondern auch seinem guten Aussehen geschuldet: Mit seinem smarten Look sieht der 50jährige tatsächlich wie jemand aus, der den ZDF-Landarzt beerben könnte - ein Mann, dem die Frauen vertrauen.
Der spaßig gemeinte Spruch, der beim Publikum offenbar gut ankam, ging wieder einmal schief - im Nachhinein. "Ministerpräsident Oettinger ist keine Schublade zu tief", hieß es am Mittwoch von einer erzürnten Rottenburgerin auf der Leserbriefseite des "Tagblatts". Und da das mediale Sommerloch in Rottenburg und Umgebung noch größer ist als anderswo, erhob die Zeitung den Kalauer flugs zum Aufmacherthema auf den Lokalseiten.
So ließ sich ein Gynäkologe anonym zitieren, einen solchen Satz sage man "im Zustand fortgeschrittener Betrunkenheit". Eine Frauenärztin holte noch weiter aus: Frauen würden "in eine bestimmte Schachtel geschoben", meinte sie zu dem "in Männerkreisen" weit verbreiteten Weltbild: "Der Frauenarzt als Verführer, wenn ich das höre, auch noch von einem Ministerpräsidenten, dann krieg‘ ich eine Wut." Ein männlicher Frauenarzt spöttelte, früher habe der geringste Abstand zwischen zwei Fettnäpfchen der Schrittlänge von Altkanzler Kohl entsprochen. Gefühlte Intention der Aussage: Inzwischen gibt es eine neue Maßeinheit namens "Oettinger".
Fast kann einem Baden-Württembergs Ministerpräsident schon leid tun. Seit heute morgen präsentiert das "Tagblatt" nun auch noch "Günther Oettingers gesammelte Sprüche" im Internet. Wobei es fragwürdig erscheint, die fatalen Aussage "Hans Filbinger war ein Gegner des NS-Regimes" in dieselbe Kategorie einzuordnen wie das harmlose Frauenarzt-Witzchen. Und mag die Kritik von Frauenseite auch berechtigt sein - nicht jeder angebliche "Oettinger-Spruch" ist einer: Was an dem Satz "Schulen sind nicht der Reparatur-Betrieb für verkorkste Erziehung zu Hause" so falsch sein soll, wird nicht ganz klar.
Wenn der Schwabe "herum babbelt"
Dass Oettingers Ansichten schnell mal ins Peinliche abkippen, wissen inzwischen nicht nur seine Landsleute, sondern die ganze Republik. Dass seine Aussagen Rückschlüsse auf sein Seelenleben zulassen - auch keine Frage. Bei einem anderen Fünfzigsten griff er schon einmal ins spruchwörtliche Klo: Als "württembergischen Meister im Seitensprung" bezeichnete Oettinger 2006 einen Kumpel. Dumm nur, dass ein ganzes Publikum zuhörte.
Das Problem ist, dass der Schwabe, der von Bekannten als durchaus lustiger Kerl beschrieben wird, es nicht böse meint - sondern manchmal einfach nur naiv "herum babbelt". Zu hochdeutsch: herum plappert. Zu naiv für ein Spitzenamt?

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In Baden-Württemberg steht Oettinger weiter unter Druck. Sein parteiinterner Konkurrent, der Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus, positioniert sich seit einigen Monaten auf Bundesebene - und macht das recht gekonnt. Der Ministerpräsident jedoch, dem ein aktueller Zeitungskommentar sowieso schon den "Auftrittsgestus eines schwäbischen Holzkaspers" attestiert, dürfte nach dem erneuten verbalen Fauxpas vollends zur Salzsäure erstarren. Ohne erkenntliches Eigenleben, immer politisch korrekt und nur noch nach dem Motto: Nur keine Fehler machen!