Als EU-Kommissar Günter Verheugen gefragt wurde, ob die Polen bereits auf ihren bevorstehenden EU-Beitritt anstoßen könnten, riet er ihnen lachend, es bei einem Glas zu belassen und dann wieder an die Arbeit zu gehen. Polnische EU-Kritiker nahmen ihm das krumm und mobilisierten einmal mehr den Nationalstolz gegen das angeblich aus Brüssel drohende Unheil.
Das Beispiel zeigt, wie glatt das Parkett ist, auf dem sich der 58-jährige SPD-Politiker bewegt. Seit September 1999 ist er einer von 20 EU-Kommissaren - zuständig für die Erweiterung der Union. Unter seiner Aufsicht wird mit den Beitrittsländern verhandelt. Kaum ein anderer dürfte die Situation der EU-Bewerber so genau kennen wie er.
Gewissenhafter Politik-Manager
Als gewissenhafter Politik-Manager, der die eigene Eitelkeit nicht zur obersten Richtschnur macht, war Verheugen schon in der Bundespolitik bekannt. In die tauchte er 1969 ein als Öffentlichkeits-Referent für den damaligen FDP-Innenminister Hans-Dietrich Genscher. Unter Genscher wechselte er 1974 auch ins Außenministerium, 1978 wurde er unter Genschers Parteivorsitz Generalsekretär der FDP.
Als "Sozialliberaler" gehörte Verheugen zu einer Reihe führender FDP-Politiker, die den von Genscher 1982 eingefädelten Bruch der Koalition mit der SPD nicht mittragen wollten. Der linke FDP-Flügel konnte die Wende der Partei zur CDU/CSU aber nicht verhindern, Verheugen trat aus und der SPD bei. Mit sicherem SPD-Mandat wurde er 1983 Bundestagsabgeordneter.
Neue Karriere als Sozialdemokrat
Das Wort "Genosse" musste er zwar noch lernen - aber Verheugen begann eine neue Karriere als Sozialdemokrat. Und auch hier brachte er es bis in die oberste Spitze: Der Ex-FDP-Manager wurde von 1993 bis 1995 SPD-Bundesgeschäftsführer. Als er dieses Amt inmitten innerparteilicher Wirren zurückgab, beklagte er sich aber auch über Feindseligkeiten. Traditions-Sozis wollten sich nie so recht an den von außen gekommenen Geschäftsmanns-Typen gewöhnen. Nach dem rot-grünen Wahlsieg 1998 war für Verheugen auch kein richtiges Ministeramt in Gerhard Schröders Kabinett frei.
Als Staatsminister im Auswärtigen Amt musste Verheugen aber nur kurze Zeit die Nummer zwei hinter Joschka Fischer spielen, dann wurden in Brüssel frische Kräfte gesucht. Die alte EU-Kommission war im Sumpf von Vetternwirtschaft und Korruptionsvorwürfen versackt. Im September 1999 kam Verheugen in das neue Team. Seitdem fügt er das Puzzle Europa zu einem größeren Bild der Europäischen Union zusammen.