Westerwelle hat die bereits kurz nach der Bundestagswahl im September getroffene Entscheidung damit begründet, dass gerade in Zeiten einer großen Koalition ein schlagkräftiges Auftreten der Oppositionspartei von größter Bedeutung sei. Mit Wolfgang Gerhardt, der nun Vorstandschef der Friedrich-Naumann-Stiftung wird, tritt einer der letzten Repräsentanten der "alten" FDP ab, die in der "Bonner Republik" Jahrzehnte lang die Regierungsgeschäfte mitbestimmt hat.
Er stand lange für das Image der "Spaßpartei"
Gerhardt hatte sich in einer schwarz-gelben Koalition Hoffnungen auf das Außenministerium machen dürfen und war deshalb besonders seriös, besonnen und kompromissbereit aufgetreten. Der 44-jährige Jurist Westerwelle dagegen stand lange Zeit für das FDP-Image der "Spaßpartei". Dagegen kämpften die Liberalen allerdings bei der Bundestagswahl im vergangenen Sommer erfolgreich an: Westerwelle und Gerhardt holten 9,8 Prozent der Stimmen für die FDP.
Nur wegen dieses Stimmengewinns von 2,4 Punkten im Vergleich zu 2002 wurde anschließend Westerwelles politische Zukunft nicht in Frage gestellt, obwohl er ja das eigentliche Wahlziel, eine Koalition mit der Union, verfehlt hatte. Gleichwohl hat das bei ihm nicht zu bescheidenem Auftreten geführt. Im Gegenteil: "Klappern gehört zum Handwerk" ist nach wie vor einer seiner Grundsätze.
Querschüsse von Kubicki und Möllemann
Erfolglosigkeit kann man Westerwelle also nicht nachsagen. Mit Kritikern in der Partei ist er deshalb bislang stets relativ gut fertig geworden. Die schwerste Krise stand er durch, als sein Stellvertreter Jürgen Möllemann wegen antisemitischer Äußerungen vor knapp vier Jahren die ganze Partei in Verruf zu bringen drohte, zugleich aber auf Erfolge bei Wahlen verweisen konnte. Mit Unterstützung fast der gesamten FDP-Spitze meisterte er die Krise jedoch.
Dennoch kommen immer wieder Querschüsse aus den Ländern: Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki langte am Wochenende kräftig zu, indem er Westerwelle Mangel an "innerer Souveränität" vorwarf. Das habe sich an der "dummen und überstürzten" Orientierung auf ein rot-gelbes Bündnis gezeigt, kaum dass Kurt Beck als Nachfolger von Matthias Platzeck als SPD-Vorsitzender benannt worden sei.

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Konzentration auf die Innenpolitik
Einer der inhaltlichen Gründe für Gerhardts Abgang ist auch, dass die FDP kaum Profil auf dem Gebiet der Außenpolitik gewinnen kann: Es besteht weitgehende Übereinstimmung über die derzeitigen Strukturen. Lediglich bei dem bevorstehenden Engagement der Bundeswehr im Kongo melden die Liberalen Skepsis an.
Fraktion und Partei konzentrieren mit dem personellen Wechsel ihre Kräfte auf die innenpolitischen Reizthemen. Ganz obenan steht dabei die im Koalitionsvertrag beschlossene Mehrwertsteuer, die die Liberalen als wirtschafts- und aufschwungfeindlich brandmarken. Aber auch der Atomausstieg als schwelendes Reizthema dürfte für die FDP immer wieder willkommener Anlass für den Versuch sein, Zwietracht unter den Koalitionsparteien zu säen.
Nicht so erfolgreich war der Anwalt Westerwelle dagegen in jüngster Vergangenheit bei einem Rechtsstreit gegen den Anwalt Gerhard Schröder. Der Altbundeskanzler siegte vor dem Hamburger Landgericht, das Westerwelle die wörtliche Unterstellung verbot, Schröder habe "einer Firma einen Auftrag" gegeben, nämlich zum Bau einer Pipeline durch die Ostsee.