Spätestens seit Samstag galt der Schritt als sicher, am späten Sonntagnachmittag folgte der Vollzug. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat nur wenige Stunden vor Bekanntgabe des Ergebnisses des Volksentscheids zur Schulreform verkündet, dass er zum 25. August von seinem Amt zurücktreten will. Er tat dies nach einer Sitzung des Landesvorstands der Hamburger CDU. Am 25. August kommt das Landesparlament, die Hamburger Bürgerschaft, zur ersten Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Als Favorit für die Nachfolge von Beusts gilt Innensenator Christoph Ahlhaus, ein Parteifreund. Dieser wurde vom CDU-Landesvorstand am Sonntag einstimmig für die Nachfolge von Beusts nominiert. Ahlhaus bezeichnete diesen als Regierungschef, "der die Stadt wie kein anderer Nachkriegsbürgermeister im Positiven geprägt" habe. Er wolle dessen Nachfolge "mit viel Leidenschaft" antreten, kündigte der 40-Jährige an.
Die biblische Erkenntnis "Alles hat seine Zeit" gelte auch für Politiker, sagte von Beust nach der Vorstandssitzung. "Selbstverständlich auch für mich. Deshalb habe ich beschlossen, zur nächsten Bürgerschaftswahl 2012 nicht mehr anzutreten", sagte er. Seine Entscheidung stehe nicht mit der Volksabstimmung über die Schulreform in der Hansestadt in Zusammenhang. Er habe aber eine Personaldiskussion in den vergangenen Wochen vermeiden wollen. Von Beust gab zudem bekannt, dass sich auch die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck zurückziehen werde. Zusammen mit dem Rücktritt des Bürgermeisters verlieren alle übrigen Regierungsmitglieder, die Senatoren, automatisch ihre Ämter.
Die Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth reagiert mit am schnellsten auf von Beusts Rückzug. "Wir bedauern den Rücktritt von Hamburgs Ersten Bürgermeister", ließen sie per Pressemitteilung wissen. "Ole von Beust hat Hamburg als moderne und weltoffene Metropole gut repräsentiert und war für uns Grüne in der Landesregierung ein vertrauensvoller und verlässlicher Partner." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte in Berlin: "Ole von Beust hat für seine Heimatstadt und die CDU herausragende Arbeit geleistet: Ihm ist es zu verdanken, dass die CDU nach mehr als vier Jahrzehnten in der Opposition zur bestimmenden politischen Kraft in Hamburg geworden ist."
Von Beust galt seit Monaten als amtsmüde. Dennoch ist sein Rückzug ein schwerer Rückschlag für die schwarz-grüne Koalition in Hamburg. Das Bündnis steht unter dem Druck einer umstrittenen Schulreform, am Sonntag erlitt es bei dem Volksentscheid zu einem wichtigen Bestandteil der Reform eine empfindliche Niederlage. Umfragen sagten der Koalition eine Niederlage voraus. Von Beusts Abgang bedeutet jedoch auch, dass die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel innerhalb eines Jahres bereits den sechsten Regierungschef aus Reihen der CDU verliert. Vor ihm gingen - freiwillig oder nicht - die Herren Dieter Althaus (Thüringen), Günther Oettinger (Baden-Württemberg), Roland Koch (Hessen), Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) und Christian Wulff (Niedersachsen). Die Riege der CDU-Männer um die 50 ist damit mehr oder minder plötzlich weg. Die Partei hat eine ganze Generation verloren, und zwar binnen kürzester Zeit. Einen vergleichbarer Aderlass einer Partei ist schwer zu finden und wirft ein schlechtes Licht auf die Kanzlerin.
Die SPD fordert Neuwahlen
Zwar meldete von Beust meldete sich in der Bundespolitik kaum zu Wort. Ihm kam allerdings eine Vorreiterrolle zu, weil er 2008 in der Hansestadt die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene einging. Er bereitete damit einer Regierungsoption den Weg, die sich manche in CDU und bei den Grünen für die Bundestagswahl 2013 offenhalten wollen. Von Beust hat in Hamburg seit 2001 in unterschiedlichen Bündnissen regiert. Seit 2008 steht er der schwarz-grünen Koalition vor. Deren Fortsetzung galt vorerst auch bei einer Auswechselung des Ersten Bürgermeisters nicht als gefährdet. Bei den Grünen wurde aber Unmut geäußert, dass über den Rückzug von Beusts bereits solange spekuliert worden sei.
Die Hamburger SPD, die in Umfragen vor der CDU liegt, forderte Neuwahlen. "Die Hamburger werden es nicht gerne sehen, wenn jetzt einfach ein neuer Bürgermeister eingesetzt würde, ohne sie zu fragen", sagte SPD-Landeschef Olaf Scholz der "Bild am Sonntag". Der einstige Bundesarbeitsminister und frühere Innensenator der Stadt dürfte im Fall vorgezogener Wahlen die SPD als Spitzenkandidat anführen. Die nächsten regulären Bürgerschaftswahlen stünden im Frühjahr 2012 an.