Hans-Jochen Vogel wird 85 Jahre "Ich bin einigermaßen mit mir im Reinen"

Er war Münchner OB, Parteichef, Bundesminister und Kanzlerkandidat - über Jahrzehnte hinweg hat Hans-Jochen Vogel die Politik der SPD mitgeprägt. Nun feiert er seinen 85. Geburtstag. Im Rückblick auf seine politische Karriere würde er manches anders machen.

An den 27. September 2009 denkt Hans-Jochen Vogel nur ungern zurück. "Die Niederlage bei der letzten Bundestagswahl hat mir schon sehr wehgetan", sagt der SPD-Politiker. Gerade einmal 23 Prozent erzielten die Sozialdemokraten - das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Der Zustand seiner Partei wühlt Vogel, der an diesem Donnerstag (3. Februar) 85 Jahre alt wird, auch 16 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik auf. Ohne Zweifel habe die SPD schon bessere Zeiten erlebt, etwa in der Regierungszeit, "als die Partei noch unangefochten eine Volkspartei war".

Wenn die SPD ihn brauchte, war der "knorrige Parteisoldat", wie Vogel mitunter genannt wurde, zur Stelle. "Sollte ich ein politisches Amt übernehmen, habe ich in aller Regel Ja gesagt, weil ich mich der Verantwortung nicht entziehen wollte." Dabei seien die Aufgaben immer auf ihn zugekommen, wie Vogel betont: "Ich habe mich nie aufgedrängt." 1959 hätten ihn Freunde überzeugt, als Oberbürgermeister von München zu kandidieren. Er gewann die Wahl - und wurde mit 34 Jahren jüngster Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt.

Als sich Vogel Anfang der 70er Jahre aus der Politik zurückziehen wollte, habe ihn Willy Brandt zum Weitermachen überredet. Der Bundeskanzler war es dann auch, der ihn 1972 nach Bonn holte, als Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Und bei der Kanzlerkandidatur 1983 habe sich schlicht niemand anderes in der SPD gefunden, der gegen Helmut Kohl (CDU) antreten wollte.

Während der gut sechs Jahre jüngere Bruder Bernhard für die CDU jahrelang Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und in Thüringen war, folgten für Hans-Jochen Stationen als Bundesjustizminister im Kabinett von Helmut Schmidt, als Regierender Bürgermeister in Berlin sowie als Partei- und Fraktionschef der SPD.

Viele Klischees hängen dem "Muster-Sozialdemokraten" an: akkurater Einser-Jurist, Pedant mit der Klarsichthülle, akribischer Oberlehrer. Im Alter sehe er jetzt vieles gelassener, sagt Vogel. "Ich weiß, dass ich Mitmenschen gegenüber manchmal etwas zu heftig und ungeduldig und manchmal auch ungerecht war." Dennoch sei er "einigermaßen mit sich im Reinen". Dazu gehört auch, dass sein Name niemals mit Skandalen oder Affären in Verbindung gebracht wurde.

Politisch engagiert ist der in Göttingen geborene Professorensohn immer noch. Er hält Vorträge, demonstriert gegen Neonazis und spricht auf Parteitagen. Die Sozialdemokraten legen Wert auf die Meinung des Mannes, der von 1987 bis 1991 ihr Vorsitzender war. "Allerdings habe ich mich da jetzt etwas gebremst, weil ich merke, dass die Kräfte allmählich nachlassen", sagt Vogel. Vor fünf Jahren ist er mit seiner Frau Liselotte in ein Altenwohnheim in München gezogen. Seit 1972 ist Vogel Ehrenbürger der Stadt.

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Arne Meyer, DPA