Hans-Jochen Vogel, 87, ist ein großer alter Mann der Sozialdemokratie. Nicht so berühmt wie Willy Brandt oder Helmut Schmidt, aber ebenso eigensinnig. Vogel, der Einser-Jurist, berüchtigt für seine in Klarsichthüllen abgelegten Arbeitsmaterialien, war so ziemlich alles, was man in der Partei werden kann: Kanzlerkandidat, Fraktionschef, Parteichef. Damals, in den 80er Jahren. Das macht ihn zu einem idealen Interviewpartner zum großen SPD-Jubiläum, dem 150. Geburtstag. Dachte die ARD jedenfalls.
Bei der Live-Schalte des Morgenmagazins nach Leipzig, wo die Sozi-Party steigt, hatte Moderatorin Anne Gesthuysen jedoch keinen altersmilden Anekdotenerzähler vor sich, sondern einen kämpferischen, mitunter knarzigen Sozialdemokraten, der die Dauerkritik an seiner Partei nicht hinnehmen will. "Stolz" ist das Lieblingswort von Hans-Jochen Vogel in diesem Interview. Stolz auf die Leistungen seiner Genossen.
"Unser Volk braucht die SPD"
Und sehr schnell wird klar: Der gemäßigt kritische Kommentar des Morgenmagazins, als Einspieler im Vorfeld des Interviews gezeigt, hat Vogel nicht gefallen. Und die behutsam bohrenden Fragen der Moderatorin gefallen ihm ebenso wenig. Vogels Gesicht verdustert sich zunehmend, immer wieder hebt er den Arm und lässt seine Hand durchs Bild schneiden.
Als Gesthuysen schließlich fragt, wer die SPD denn noch brauche, platzt Vogel der Kragen. "Ja Entschuldigung, unser Volk braucht die SPD!", bellt er ins Mikrofon. Und bei der Frage, ob Grüne und CDU den Sozialdemokraten nicht die Themen wegnähmen, geht er zum Gegenangriff über: "Fürchten Sie denn bei der ARD, dass Ihnen das ZDF etwas wegnimmt und sind deswegen verlegen und peinlich berührt?"
"Ob die ARD überhaupt 150 Jahre alt wird?"
Vogels Konter schlägt voll ein, die Moderatorin scheint irritiert. Vermutlich hatte sie sich das Gespräch ganz anders vorgestellt, nun weiß sie nicht, was sie antworten soll. Doch Vogel, der sich in Rage geredet hat, setzt noch einen obendrauf: "Wer weiß, ob die ARD überhaupt 150 Jahre alt wird."
Erst am Ende des Interviews beruhigt sich der SPD-Grande wieder etwas. Seinem gesamten Auftritt nimmt das jedoch nichts an Schärfe. Und das macht vor allem eins deutlich: Einen solch unbeirrbaren Kämpfer wie Hans-Jochen Vogel könnte die SPD auch heute noch gut gebrauchen.