Bundespräsident Christian Wulff will nach Informationen der ARD im Amt bleiben. Wulff habe sich entschieden, nicht zurückzutreten, meldete das ARD-Morgenmagazin am Mittwoch unter Berufung auf zuverlässige Quellen in der Umgebung des Staatsoberhauptes. Das Bundespräsidialamt war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Erste Rücktritssforderung aus der CDU
Zuvor hatte es in der Debatte um Wulffs Amtsführung eine erste Rücktrittsforderung aus seiner eigenen Partei gegeben. Die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld hat sich für die Demission von Wulff ausgesprochen und Joachim Gauck als Nachfolger vorgeschlagen. "Unser Bundespräsident ist endgültig zur Witzfigur geworden. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kann ihn nicht mehr ernst nehmen", sagte Lengsfeld "Handelsblatt Online". "Jede Stunde, die er sich länger an das Amt klammert, das er nie ausfüllen konnte und das er fast irreversibel geschädigt hat, schadet der demokratischen Kultur." Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin betonte: "Es braucht keine neue Enthüllung, um sicher zu sein, dass Wulff gehen muss."
Lengsfeld appellierte an SPD und Grüne, sich aktiv für eine Ablösung Wulffs einzusetzen. Die Opposition könne nun beweisen, dass ihr Vorschlag, den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck zum Bundespräsidenten zu machen, kein parteipolitisches Manöver gewesen sei. "Joachim Gauck kann dem Amt seine Würde zurückgeben", sagte die CDU-Politikerin. "Als zweiten Schritt sollte man dazu übergehen, den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen." Nur so sei gesichert, "dass unser höchstes Amt nie wieder parteipolitisch instrumentalisiert werden kann".
Roth: Merkel muss sich erklären
Grünen-Chefin Claudia Roth forderte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Erklärungt. Die Kanzlerin müsse sich zu den Vorgängen um ihren Wunschkandidaten für das Präsidentenamt äußern, sagte Roth der "Süddeutschen Zeitung". Schließlich habe die Kanzlerin 2010 aus der Präsidentenwahl "eine Posten- und Machtfrage gemacht, statt den Konsens zu suchen". Wolle Wulff die Affäre nur aussitzen, werde er ein "extrem schwacher Präsident". Der Bundespräsident müsse nun selbst wissen, ob er noch die nötige Autorität habe, um als "Konsensfigur und Wertevermittler" aufzutreten.
Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki: "Wenn die Kraft seiner Worte keine Wirkung mehr entfaltet, kann er sein Staatsamt nicht mehr ausüben", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Mit einer wirklich nachvollziehbaren öffentlichen Erklärung für seinen Versuch, Berichterstattung über den Privatkredit zu unterbinden, wird er die Situation vielleicht noch bereinigen können." Ansonsten müsse er sich die Frage stellen, "ob er sein Amt noch ausüben kann".
Keine klare Rücktrittsforderung der Opposition
Aus Sicht der SPD kann Wulff sein Amt ohne rückhaltlose Aufklärung nicht mehr unbefangen ausüben. "Es gilt nach wie vor: Niemand kann sich den zweiten Rücktritt eines Bundespräsidenten innerhalb von zwei Jahren wünschen", schrieb SPD-Chef Sigmar Gabriel auf seiner Facebook-Seite. "Allerdings kann sich auch niemand einen Bundespräsidenten wünschen, der den Eindruck erweckt, er sei seinem Amt weder politisch noch stilistisch gewachsen."
Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel forderte Wulff zu einer schnellen Stellungnahme auf. "Wenn es gelingen soll, diese Wolken verschwinden zu lassen, muss sich Herr Wulff rasch noch einmal - und diesmal sehr ausführlich - erklären", sagte er der "Welt". Vogel kritisierte Wulffs Intervention bei Journalisten: Der Präsident habe nicht nur einen Chefredakteur angerufen, "sondern zudem einen massiven Vorstoß beim dem Verlag dieser Zeitung unternommen". Für ein Staatsoberhaupt, das die Pressefreiheit als hohes Gut würdige, sei das "- vorsichtig formuliert - ein nicht alltäglicher Vorgang."
Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sieht Wulff mittlerweile als Bundespräsident von Merkels Gnaden. "Wenn er Bundespräsident bleibt, dann bleibt er es vor allem, weil Angela Merkel es so will", sagte Langguth der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Die Anrufe bei den Medien nannte Langguth "töricht". Doch seien sie "nicht schwerwiegend genug, als dass sich daraus die Notwendigkeit eines Rücktritts ergeben würde".

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Wulff kehrt heute an seinen Schreibtisch zurück
Das Bundespräsidialamt hatte am Dienstag den zweiten Tag in Folge zum Vorwurf der versuchten Einflussnahme geschwiegen. Wulff selbst kehrt erst am heutigen Mittwoch an seinen Schreibtisch im Schloss Bellevue zurück. Stattdessen einer Erklärung wurden bislang lediglilch die offiziellen Termine des Staatsoberhaupts für die nächsten Tage veröffentlicht. Danach empfängt Wulff als nächstes am Freitag im Schloss Bellevue Sternsinger aus dem Bistum Essen.
Wulff steht seit Mitte Dezember wegen seiner Kredite für den Kauf eines Eigenheimes in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident in der Kritik. Eine neue Dimension erhielt der Fall, nachdem bekannt wurde, dass der Bundespräsident persönlich durch einen Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann versucht hat, die erste Veröffentlichung der Zeitung zu den Krediten am 13. Dezember zu verhindern.
stern-Umfrage: Deutsche weiter zufrieden mit Wulff
Immerhin: Wulffs Ansehen in der Bevölkerung hat bislang offenbar nicht gelitten. In einer Umfrage für das Hamburger Magazin stern, die vor Bekanntwerden der Interventionen des Präsidenten beim Axel Springer Verlag durchgeführt wurde, erklärten sich 63 Prozent der Befragten zufrieden mit seiner Arbeit. Lediglich 30 Prozent gaben Unzufriedenheit mit dem Präsidenten zu Protokoll. Im Vergleich zu einer identischen Umfrage Mitte Dezember blieben die Werte nahezu unverändert. Damals hatte sich 62 Prozent zufrieden und 27 Prozent unzufrieden geäußert.