Die Einigung der Koalitionsspitzen auf den Haushalt 2024 sieht massive Einsparungen in unterschiedlichen Bereichen vor, um trotz Milliardenlücken die Schuldenbremse einhalten zu können. Gleichwohl will die Bundesregierung an geplanten Zukunftsinvestitionen festhalten, wenn auch mit deutlichen Abstrichen. Viele Details blieben nach den ersten Statements von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) allerdings zunächst noch offen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Um welche Summen geht es beim Haushalt 2024?
Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) und dessen Folgen fehlten im Kernhaushalt für 2024 etwa 17 Milliarden Euro. Hinzu kamen etwa 13 Milliarden Euro im KTF selbst, aus dem Klimaschutzprojekte sowie der CO2-neutrale Umbau der Wirtschaft unterstützt werden.
Was passiert mit der Schuldenbremse?
Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse will die Regierung trotz der Milliardenlücken im kommenden Jahr wieder einhalten. Allerdings wird von einer Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht, um den Wiederaufbaufonds wegen der Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal und anderen Gebieten weiter nutzen zu können. Dafür sind 2,7 Milliarden Euro im kommenden Jahr vorgesehen.
Gibt es weitere Maßnahmen auf der Einnahmeseite?
Der nationale CO2-Preis für Bereiche, die nicht vom europäischen Emissionshandel erfasst sind, soll ab 2024 wieder auf das Niveau angehoben werden, das ursprünglich von der großen Koalition vorgesehen war. Dies sind dann 45 Euro pro Tonne CO2 für 2024. Betroffen sind in erster Linie die Bereiche Verkehr und Gebäude. Bislang war für 2024 eine Anhebung auf 40 Euro pro Tonne vorgesehen gewesen. Das Geld fließt dem KTF zu.
Zudem ist vom Abbau klimaschädlicher Subventionen im Umfang von drei Milliarden Euro die Rede. Davon sollen 1,4 Milliarden Euro dadurch hereinkommen, dass Zahlungen für die EU-Plastikabgabe statt aus dem Haushalt von Herstellern beziehungsweise Handel gezahlt werden. Außerdem genannt wurden Privatisierungserlöse.
Wo will die Ampel am Kernhaushalt sparen?
Genannt wurden Abstriche von 1,5 Milliarden Euro im Etat für Arbeit und Soziales. Dabei geht es offensichtlich zumindest teilweise um erhoffte Einsparungen, indem Geflüchtete aus der Ukraine schneller eine Arbeit aufnehmen. Abstriche bei "sozialen Standards" soll es demnach nicht geben, nach Angaben der Grünen auch nicht bei der Kindergrundsicherung. Weiter genannt wurden besonders Einsparungen in den Etats für Verkehr und für Umwelt. Betroffen sind aber offensichtlich auch weitere Bereiche.

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Nicht angetastet werden sollen die für 2024 bereits geplanten Absenkungen bei der Einkommensteuer sowie der Stromsteuer. Auch die Mittel für das Wachstumschancengesetz, das derzeit wegen Widerstands des Bundesrats auf Eis liegt, bleiben im Haushalt eingeplant. Dabei geht es unter anderem um Steuererleichterungen für Unternehmen, insbesondere für Investitionen in den Klimaschutz.
Was bedeutet das für die Verbraucher?
Klar ist nun: Vieles wird teurer werden, mancher Zuschuss des Staates gekürzt oder gestrichen.
So wird sich vor allem die von der Koalition geplante stärkere Anhebung des CO2-Preises im Geldbeutel der Verbraucher bemerkbar machen: Tanken und Heizen mit fossilen Energien wird teurer als bislang geplant.
Wie das Vergleichsportal Check24 errechnet hat, sorgt diese für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bei Erdgas für rund 20 Euro Mehrkosten pro Jahr. Demnach war bei einem CO2-Preis von 40 Euro je Tonne im kommenden Jahr bislang mit insgesamt 40 Euro Mehrkosten zu rechnen. Bei den jetzt geplanten 45 Euro je Tonne steigt die Mehrbelastung auf 60 Euro gegenüber 2023.
Der höhere CO2-Preis gilt auch für Heizöl. Das Vergleichsportal Verivox geht für den Anstieg von 30 auf 45 Euro je Tonne Kohlendioxid von jährlichen Mehrkosten in Höhe von 96 Euro aus. Auch diese Berechnung gilt für einen Haushalt mit 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch.
Was ändert sich beim KTF?
Dem Klima- und Transformationsfonds stehen für 2024 laut Lindner 12,7 Milliarden Euro weniger zur Verfügung, im Finanzplanungszeitraum bis 2027 beträgt das Minus laut Scholz sogar insgesamt 45 Milliarden Euro. Dem KTF verbleibt damit demnach ein Volumen von rund 160 Milliarden Euro. Dabei sind die Mehreinnahmen durch den höheren CO2-Preis offensichtlich eingerechnet. Ausgaben für die Sanierung der Bahn sollen statt aus dem KTF nun aus dem Kernhaushalt bestritten werden, finanziert offensichtlich durch Privatisierungserlöse.
Festhalten will die Bundesregierung zumindest im Grundsatz an aus dem KTF finanzierten Programmen zur Förderung des Aufbaus der Wasserstoffwirtschaft und der Wärmewende. Auch sonst sollen laut Habeck "alle zentralen Säulen" des klimafreundlichen Umbaus erhalten bleiben.
Gekürzt werden sollen aber Mittel für den Wiederaufbau der Solarindustrie in Deutschland. Die Förderung für E-Autos soll früher als geplant auslaufen. Auch Zuschüsse für Entlastungen bei den Netzentgelten für Strom könnten entfallen. Es wird wieder die Möglichkeit eingeführt, dass der KTF Zuschüsse aus dem Kernhaushalt erhält.
Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?
Von der Deutschen Industrie- und Handelskammer kommt Kritik an der Haushaltseinigung. DIHK-Präsident Peter Adrian teilte mit, zwar sei das im Detail noch nicht klar zu erkennen, aber es zeigten sich bereits einige sehr kritische Punkte. "Dazu gehört vor allem die geplante Streichung des Zuschusses für die Netzentgelte. Damit drohen der Wirtschaft in der gesamten Breite zum Jahreswechsel deutlich steigende Strompreise - und das von einem bereits sehr hohen Niveau aus." Nach DIHK-Berechnungen müssten Betriebe 2024 bis zu zwanzig Prozent mehr für ihren Strom zahlen. "Das ist alles andere als ein Aufbruchsignal - weder für die Konjunktur noch für den Klimaschutz. Deshalb ist es sinnvoll, bei den nun folgenden Einzelberatungen trotz der sehr kurzen Frist solch wichtige Weichenstellungen noch mal zu korrigieren."
Auch Handwerkspräsident Jörg Dittrich verlangt von der Ampel eine verlässlichere Politik. "Der wochenlange Entscheidungsstau beim Bundeshaushalt 2024 hat statt eines Aufbruch-Doppel-Wumms zu starken Bremsspuren in der Wirtschaft geführt und die Unsicherheit weiter verstärkt", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Das Gefühl von Verlässlichkeit, das sich nicht wie ein Schalter ein- und ausschalten lässt, ist bei vielen Betrieben verloren gegangen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, Vertrauen und Verlässlichkeit in die Dauerhaftigkeit von Entscheidungen wieder herzustellen." Einen Entscheidungs- und Handlungsstau könne sich Deutschland auf seinem Zukunftsweg nicht leisten.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger spricht mit Blick auf die Einigung der Koalitionsspitzen von einer "Atempause, aber keiner nachhaltigen Lösung". Dulger sagte: "Die gute Nachricht: es wurde entschieden und alle politisch Verantwortlichen haben Kompromisse gemacht. Jede Nicht-Entscheidung wäre noch schlechter für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Arbeitsplätze gewesen. Nachhaltige Strukturreformen wurden allerdings erneut geschoben."
Wie reagiert die Opposition auf die Ampel-Pläne?
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) wirft der Koalition Trickserei bei der Haushaltseinigung vor. Anders als von Bundeskanzler Olaf Scholz dargestellt sei es jetzt schon klar, dass die Schuldenbremse spätestens Mitte des kommenden Jahres abermals ausgesetzt werden muss, sagte Merz. "Sie wissen, dass Sie nicht einhalten können, was Sie heute hier gesagt zu haben", sagte der Oppositionsführer an den Kanzler gerichtet. Es handle sich um die "übliche Trickserei" des Bundeskanzlers.
Linken-Politiker Dietmar Bartsch beklagt zudem weitere Unsicherheiten nach der Haushaltseinigung. "Nichts Genaues weiß man nicht", monierte Bartsch. "Das war wahrhaftig kein politischer und kommunikativer Befreiungsschlag, sondern viele halbgare Ankündigungen." Zugleich sei für ihn bereits klar, dass es sich "um eine Einigung auf dem Rücken von Familien, Beschäftigten, Rentnern" handele. Bartsch bezog dies auf die Erhöhung des CO2-Preises zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten.
Auch AfD-Chef Tino Chrupalla kritisiert die Ampel-Pläne. Mit einem höheren CO2-Preis würden im neuen Jahr die Inflation angeheizt und der Wirtschaftsstandort weiter ruiniert, sagte Chrupalla. Deutschland brauche endlich "eine Wohlstandspolitik im Interesse der Bürger". Nötig sei zudem ein Kassensturz.
Was passiert mit den Hilfen für die Ukraine?
An der militärischen und zivilen Unterstützung für die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg hält die Bundesregierung wie geplant fest. Darunter sind acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen im kommenden Jahr. Sollte sich die Lage in der Ukraine verschärfen – entweder militärisch oder weil sich andere Unterstützerländer zurückziehen, soll von deutscher Seite nachgelegt werden. Dafür würde dann von einer weiteren Ausnahme von der Schuldenbremse Gebrauch gemacht werden.