Presseschau Deutschland droht "eine politische Lähmung" – so kommentieren Medien die Haushaltskrise der Ampelkoalition

Streit zum Haushalt: Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz
Quo vadis, Haushalt? Das scheint Wirtschaftsminister Robert Habeck den Bundeskanzler zu fragen
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Die Ampelkoalition scheint angesichts der Haushaltkrise gelähmt. Am Mittwoch sperrte das Bundesfinanzministerium nach dem Urteil in Karlsruhe große Teile des Haushalts. Die Presseschau zu den Folgen.

Die Bundesregierung sieht nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weitreichende Folgen auch für andere Rücklagen im Bundeshaushalt. Die Kredite aus dem Sondervermögen für die Energiepreisbremsen könnten "im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden", teilte Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer am Dienstag den Ministerien mit. Mit dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sperrte er alle weiteren Ausgaben aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das laufende Jahr.

Das Verfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun steht es nicht mehr zur Verfügung. Zugleich entschieden die Richter auch, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Stattdessen müsse eine Notlage jedes Jahr neu erklärt werden.

Finanzministerium sperrte große Teile des Haushalts

Das Finanzministerium prüft nun, welche Rücklagen im Bundeshaushalt betroffen sind. Weil man noch nicht weiß, wie man mit dem Milliardenloch umgeht, wurden vorsorglich auch Finanzzusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt gesperrt. Wie geht es nun weiter mit den Etats für dieses und das kommende Jahr – und den langfristigen Investitionen, die Ökonomen weiter für unbedingt nötig halten? Das fragen nicht nur politische, sondern auch mediale Stimmen. So kommentiert die Presse die Haushaltskrise der Ampel.

"Südwest Presse" (Ulm): "Zusammengefasst kann man wohl sagen: Mit vollem Risiko gefahren – und voll gegen die Wand. Dabei gab es genug Warnschilder. Mehr als ein Bericht des Bundesrechnungshofs legte den Finger in die Kredit-Buchungs-Wunde und meldete verfassungsrechtliche Bedenken an. Doch bleibt keine Zeit für weinerliches Ampel-Gejammere, es braucht jetzt schnelle Entscheidungen… Für den aktuellen Haushalt wird es kaum möglich sein, bereits verplante Ausgaben umzuschichten, um die Riesenlücke im Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds nachträglich zu stopfen. Die Ampel sollte also schleunigst einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr aufstellen – auch wenn sie dafür zugeben muss, dass die Notlage(n) anhalten und die Schuldenbremse nicht eingehalten werden konnte."

"Rheinpfalz" (Ludwigshafen): "Das Urteil der Verfassungsrichter hat nicht nur mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung zu tun, sondern mit staatlichen Haushalten insgesamt. (…) Auch die Bundesländer müssen ihre Etats daraufhin überprüfen, ob sie verfassungsgemäß sind. In dieser Gemengelage droht Deutschland insbesondere mit Blick auf den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft (Transformation) eine politische Lähmung. Das kann auch die Union, die in Karlsruhe gegen den KTF geklagt hatte, nicht wollen. (…) Allen sollte klar sein: Hier kann und darf es nicht um Parteipolitik gehen. Hier geht es um Deutschland."

"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Der Ausgabenstopp ist aber auch eine Chance. Nun wird die Regierung gezwungen, ihre unsinnigen Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Es wäre gut, wenn für die Verlängerung der Energiepreisbremsen kein Geld mehr da wäre. Hier hat die Ampel mit der Gießkanne Wohltaten an Menschen verteilt, die diese nicht nötig hatten. Es wäre gut, wenn die übertriebene Hilfe für die energieintensive Industrie nicht käme, wenn umstrittene Subventionen und fragwürdige soziale Wohltaten angegangen würden.
 Für die Koalition ist die Lage gleichwohl ernst. Lange hat sie Konflikte mit Geld überklebt – mit Geld, das es nun nicht mehr gibt."

"Junge Welt" (Berlin): "SPD, Grüne und FDP nutzen den Haushalt, um sich parteipolitisch Vorteile zu verschaffen. Das macht eine Lösung fast unmöglich. Damit wird die Regierung zum Treiber der Wirtschaftskrise. Herr Merz versucht, das Chaos zu vergrößern. Ihm geht es nicht um eine solide Haushaltsführung. Er will Kanzler werden, bevor andere Kandidaten ihre Ansprüche hartnäckiger anmelden. Er will den Haushalt durch Kürzungen beim Bürgergeld sanieren. Auch hat er kein Interesse an der Einführung der Kindergrundsicherung. Auf diesen Kurs könnten sich CDU/CSU, FDP und AfD bei möglichen Neuwahlen einigen."

DPA
mkb