Das Internet ist etwas Tolles, und die Seite des Bundestags ist etwas besonders Tolles. Verpasst man eine Debatte, sitzt man fern vom Reichstag, kann man im Parlamentsfernsehen hier nachverfolgen, die Videos sind schön nach Redner geordnet. Das, nur nebenbei, ist eine echte Errungenschaft.
Und so konnte man am Freitag im Parlamentsfernsehen wieder einmal Guido Westerwelle bestaunen. Zu Libyen sagte der Außenminister zwar kein Wort, weil es darum laut Tagesordnung auch nicht ging, sondern er sprach über den Jahresabrüstungsbericht 2010 der Bundesregierung. Die Redner von SPD und Grünen hielt das keineswegs davon ab, Westerwelle seine jüngste libyenpolitische Volte um die Ohren zu hauen. Denn am Donnerstag hatte der FDP-Mann verkündet, dass Bundeswehrsoldaten an einer humanitären Mission in Libyen beteiligt werden könnten - auf Uno-Anfrage, eingebettet in eine EU-Mission, ausgestattet mit einem Bundestagsmandat. "Die Kehrtwende Marsch ist zum Ungütesiegel Ihrer Politik geworden", schimpfte SPD-Mann Groschek, von einem "Zickzackkurs" sprach die Grüne Agnes Malczak.
Der Kampfeinsatz war eine humanitäre Mission
In der Tat hat die Bundesregierung nach dem spektakulären "Jein" im Uno-Sicherheitsrat zur Resolution 1973, die einen Militäreinsatz in Libyen völkerrechtlich erlaubte, nun wieder eine Wende vollzogen, quasi ein Moratorium für die Enthaltung angesetzt. Auch wenn Außen- und Sicherheitspolitiker von FDP und Union oder Regierungssprecher Steffen Seibert sich wortreich bemühen, den Unterschied zwischen humanitärem Einsatz und Kampfeinsatz hervorzuheben, wenn sie Widersprüche bestreiten, so ist bei Lichte betrachtet doch klar: Deutschland wird sich entgegen der früheren Aussagen von Westerwelle nun doch mit Soldaten an der größeren Libyen-Mission beteiligen. Die krampfhafte Unterscheidung zwischen Kampfeinsatz und humanitärem Einsatz ist dabei sehr konstruiert, weil gerade an jenem Samstag, als dem der so genannte Kampfeinsatz begann, in Bengazi eine humanitäre Katastrophe in Form eines Gemetzels drohte. Der Kampfeinsatz war eine humanitäre Mission. Dazu kommt, dass jetzt noch deutlicher wird, dass Berlin der Resolution 1973 problemlos hätte zustimmen können. Von vorneherein war klar, dass auch ein "Ja" Deutschlands nicht automatisch in die Beteiligung an allen Militäraktionen münden würde, sondern bestenfalls in die Beteiligung an einem Teil der weiter gefassten Libyen-Mission. Genau das soll jetzt auch geschehen. Die Enthaltung, die so erhebliche außen- und bündnispolitische Schäden angerichtet hat, wird somit noch mehr zur Farce. Aber, was soll's? Es stimmt schon, wie SPD und Grüne ätzen, dass Westerwelle einmal mehr eine Volte geschlagen hat, dass seine Glaubwürdigkeit noch mehr leidet. Aber man ist es schon fast leid, täglich auf diesen totalen Vertrauensverlust hinzuweisen. Es ist nun, wie bei der Atomwende, immerhin eine Wende für einen guten Zweck.
Ein bündnispolitischer Canossa-Gang
Denn auch wenn die Details des Einsatzes erst noch geklärt werden müssen, so ist es richtig, dass die Bundesregierung sich daran beteiligen will, aus humanitären Gründen, aber auch als bündnispolitischer Canossa-Gang, Als Hauptaufgaben der Mission hat Westerwelle die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und den Schutz von Flüchtlingstransporten genannt. Entsendet werden könnte eine der beiden "EU-Battlegroups." In einer davon stellt Deutschland 990 Soldaten - Sanitäter, Feldjäger, Pioniere und Personal zur Führungsunterstützung. Die Unterstützung des Bundestags, auch von Grünen und SPD, dürfte als sicher gelten. Dagegen ist natürlich die Linkspartei, die jetzt auch auf Westerwelle schimpft. Damit hat er auch seine letzten Freunde in der Opposition verloren.