Hamburg. - Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz wird der CDU-Führung eine radikale Steuerreform vorschlagen, in der sämtliche Steuervergünstigungen gestrichen werden. Im stern-Interview nannte der CDU-Politiker erstmals Details seines Konzepts, das er Anfang November vorlegen will. Um "extrem niedrige Steuersätze" zu ermöglichen, sollen Pendlerpauschale, Arbeitnehmerpauschbetrag und Sparerfreibetrag gestrichen werden. Zuschläge auf Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sollen ebenso voll versteuert werden wie Renten und Wertzuwächse bei Verkäufen von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien. Außerdem soll das Bankgeheimnis aufgehoben werden. "Ich will eine radikale Vereinfachung des Systems", sagte Merz dem stern . Nach Merz Vorstellungen soll es "genau noch drei" Steuer-Ausnahmen geben: Die Aufwendungen für die Altersvorsorge sollen ebenso von der Steuer abgesetzt werden können wie Spenden an gemeinnützige Organisationen. Außerdem sollen Familien steuerlich berücksichtigt werden. "Künftig soll jedes Familienmitglied den gleichen Freibetrag bekommen", sagte Merz. Der Freibetrag solle "in der Größenordnung von 8000 Euro" festgesetzt werden. Damit würde eine Familie mit drei Kindern bis zu einem Einkommen von 40000 Euro im Jahr steuerfrei bleiben. Die bisherige Kindergeld will Merz abschaffen. Jemand, der im oberen Bereich verdiene, brauche kein Kindergeld mehr. "Kindergeld soll es künftig nur noch für die Eltern geben, die mit ihrem Einkommen das Existenzminium für ihre Kinder nicht abdecken können", so Merz.
Keine genauen Angaben machte Merz über den geplanten Steuertarif. Der Spitzensteuersatz müsse "deutlich unter 40 Prozent" liegen und der Eingangssteuersatz "sehr niedrig" sein. Den von Paul Kirchhof vorgeschlagenen Stufentarif mit einem Spitzensatz von 25 Prozent lehnte er ab. Merz äußerte die Erwartung, dass nach einer Steuerreform Spitzensportler wie Michael Schumacher nach Deutschland zurückkehren werden. "Wenn die Sätze so moderat sind, dass er zwei Drittel dessen, was er verdient, auch behalten darf, bleibt er hier." Im Richtungsstreit der Union kündigte CDU-Präsidiumsmitglied Merz an, den Reformkurs von Parteichefin Angela Merkel "nach Kräften" zu unterstützen. Jetzt finde "die Emanzipation von Norbert Blüm und seiner Sozialpolitik statt". Am Beispiel der Pflegeversicherung werde sich zeigen, "ob die Union den Weg, den Frau Merkel jetzt zu Recht aufzeigt, auch wirklich in der Lage ist zu gehen. Ich hoffe das."
In der Diskussion um Bürgerversicherung und Kopfpauschalen erwartet Merz, dass in den nächsten Monaten in Deutschland ein "Kulturkampf" ausbrechen könne. Dann müsse die CDU klar positioniert sein. Skepsis ließ Merz gegenüber dem Herzog-Vorschlag erkennen, in einem Prämiensystem den sozialen Ausgleich für Geringverdiener mit 27 Milliarden Euro aus der Steuerkasse zu finanzieren. Nachbesserungen forderte der Fraktionsvize auch für die Rentenvorschläge von Herzog. Es sei zwar richtig, die Erziehungsleistungen bei den Rente angemessen zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht habe aber einen noch weitergehenden Auftrag erteilt: "Auch bei den Beiträgen müssen Eltern entlastet werden."