Interview mit Joachim Herrmann Keine "Drückeberger"

Mit seinem "Nein, danke" zum Einsatz von bayerischen Polizisten in Afghanistan hat Bayern bei der Innenministerkonferenz für Kopfschütteln gesorgt. Im Interview mit stern.de bekräftigt Innenminister Joachim Herrmann seine Weigerung, sagt aber: "Drückeberger sind wir nicht".

Bayern hat strikt abgelehnt, seine Polizei nach Afghanistan zu schicken. Alle anderen Bundesländer tun es. Ist der bayerische Löwe zum Bettvorleger geworden?

Da geht es weder um Löwen noch um Bettvorleger. Bayern hat immer einen starken Akzent auf Ex-Jugoslawien und den Kosovo gesetzt. Dort sind jahrelang mehrere hundert Polizeibeamte im Einsatz gewesen. Dort brüllt der bayerische Löwe. Auch demnächst werden wieder Beamte im Kosovo eingesetzt, voraussichtlich sind es 15.

Bei Ihren Kollegen aus der Innenministerkonferenz stehen Sie jetzt als Drückeberger da. Ist Ihnen das egal?

Mein Vorgänger Günther Beckstein, der jetzige Ministerpräsident in Bayern, hat schon vor zwei, drei Jahren hinsichtlich eines Afghanistan-Einsatzes gesagt, er schickt dort keinen Polizisten hin. Dabei bleibt es. Drückeberger sind wir nicht.

Polizisten im Ausland

Wenn es um polizeiliche Aufbauhilfe in Krisenregionen wie Afghanistan geht, verstummen in Deutschland politische Schreihälse. Selbst die bayerische CSU-Landesregierung, die sich im Anti-Terrorkampf an der Spitze der Bewegung wähnt, sieht derzeit keinen Anlass, ihre Sicherheitskräfte an den Hindukusch zu schicken. Rechtlich ist dagegen nichts einzuwenden: Polizeibeamte können nicht dazu gezwungen werden, im Ausland Kopf und Kragen zu riskieren. Finanziell attraktiv ist so ein Abenteuer auch nicht, mit täglich 92 Euro zusätzlich werden die Auslandseinsätze in Afghanistan vergütet. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sieht Handlungsbedarf. Seine Idee, aus der Freiwilligkeit eine Dienstpflicht für die Bundespolizei machen, ist freilich umstritten. Vorausgegangen waren Klagen über die geringe Zahl deutscher Polizisten (Bund und Länder stellen derzeit 48 Kräfte), die in Kabul zur Schulung der dortigen Polizei tätig sind.

Kosovo ist nicht Afghanistan. Die Bundesregierung am Hindukusch zu unterstützen, hätte Sie doch nicht viel gekostet, weder finanziell noch politisch. Warum also partout ein Nein?

Ich habe Respekt vor den Kollegen der anderen Länder, die sich beteiligen. Ich sage, man muss diskutieren, wie diese Mission ausgestaltet werden soll. Die Entsendung von Polizei ins Ausland, in Kriegs- oder Krisengebiete geht ohnehin nur auf freiwilliger Basis. Mutproben sind nicht gefragt.

Das Bundesland Bayern ist für seine harte Linie bei Polizeieinsätzen im Innern und für seinen strikten Anti-Terrorkampf bekannt. Und ausgerechnet jetzt verweigert sich die CSU-Regierung.

Die deutschen Polizisten sind in Afghanistan nicht im Anti-Terrorkampf, sondern um dortige Polizeibeamte auszubilden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Wollen Sie ein Exempel statuieren für künftige Auslandseinsätze nach der Devise, jetzt ist es genug?

Gar nicht, zahlenmäßig fallen die Einsätze nicht ins Gewicht. Es geht auch nicht um ein Exempel. Wir sind vielfältig aktiv gewesen durch unser Engagement auf dem Balkan. Ich will diese Debatte nicht überhöhen und habe vor der Entscheidung der Kollegen wie gesagt Respekt.

Welche Rolle spielt die Tatsache, dass in Afghanistan Bundespolizei und Länderpolizeien zusammenarbeiten müssen?

Die Kooperation ist sicherlich kein Hindernis. Aber die Bundespolizei muss bei solchen Einsätzen natürlich vorn stehen.

Also kein Kompetenzgerangel?

Sicherlich nicht.

Haben Sie Angst, dass eines Tages tote Polizisten nach Bayern geflogen werden?

Es handelt sich nicht um Kampfeinsätze, auch im Kosovo nicht. Das heißt nicht, dass Bayern nicht betroffen wäre: Ein bayerischer Beamter des Bundeskriminalamts musste vor geraumer Zeit in seiner fränkischen Heimat zu Grabe getragen werden. Er wurde bei einem Bombenanschlag in Afghanistan tödlich verletzt.

Was halten Sie vom militärischen Einsatz Deutschlands in Afghanistan?

Das habe ich immer für richtig gehalten, das ist Beschlusslage bei den Vereinten Nationen. Und auch da sind viele Soldaten, auch Reservisten, aus Bayern mit dabei.

Interview: Gabriele Rettner-Halder