Siehe da, es geht ja doch noch was in dieser großen Koalition. Mehr als gegenseitige Blockade. Nicht nur wechselseitige Beschimpfung. Mit dem Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftssteuerrechts ist ein wichtiges Stück Reformarbeit geleistet worden. Mag der eine oder andere zwar auch darüber nölen, mehr als ein Referentenentwurf liege bislang nicht vor.
Bei den so genannten "Referenten" handelt es sich immerhin um Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und um Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Beide sind in ihren Parteien politische Schwergewichte, die genau wissen, was ihre Arbeit wert ist. Und sich von Parteifreunden herum schubsen zu lassen, dazu neigt weder Steinbrück noch Koch.
Mehr für die Bürger, Status quo für die Länder
Das garantiert, dass an der von ihnen ausgehandelten Substanz des neuen Erbschaftssteuerrechts bei der Beratung im Bundestag nur noch ganz geringe Abstriche durchsetzbar sein dürften. Das dürfte auch nicht notwendig sein, denn, im Ganzen betrachtet, ist das Reformwerk geglückt. Erstens widerstand die Koalition der Versuchung, bei dieser Gelegenheit die Kassen der Länder aufzubessern, auf deren Konten die Erbschaftssteuer fließt. Unterm Strich bleibt es beim bisherigen Volumen von vier Milliarden Euro.
Zweitens sind bescheidenere Erbschaften weitgehend steuerfrei, da die Freibeträge für engste Familienangehörige erhöht werden. Niemand wird künftig in den Ruin getrieben, weil er der Oma ihr klein Häuschen erbt. Dies gilt auch für Ballungsräume wie Stuttgart oder München, wo Immobilien weitaus höhere Werte besitzen als in anderen Gegenden der Republik. Selbst in diesen Fällen ist weniger Erbschaftssteuer fällig als bisher.
Der besorgte Wirtschaftsrat
Dass in der CDU/CSU jetzt vor allem Vertreter des Wirtschaftsrats wehklagend um die Ecke biegen, gehört zum politischen Spiel. Aber es ist keineswegs so, dass Betriebserben mit dem neuen Recht unverzüglich an den Bettelstab getrieben würden. Immerhin 85 Prozent des Betriebsvermögens bleiben steuerfrei, sofern zwei Bedingungen erfüllt sind: Zum einen, dass die Lohnsumme über den Zeitraum von zwei Jahren nicht unter 70 Prozent des Niveaus vor der Übergabe sinkt.
Zum Zweiten, dass die Firma im wesentlichen 15 Jahre erhalten bleibt. Nur Letzteres ist ein Punkt, über den sich im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu streiten lohnt. 15 Jahre sind in der sich stetig wandelnden Wirtschaftswelt eine sehr lange Zeit. Strukturelle Veränderungen in einem Betrieb können sehr viel schneller notwendig werden. Wer aber die unternehmerische Flexibilität zu sehr einengt, gefährdet am Ende die Existenz des Betriebs.
Kein Grund zur Profilierungssucht
Dieses Problem kann sehr wohl in einem Kompromiss gelöst werden, der nicht wieder gleich das Gesamtprojekt infrage stellt. Die große Koalition hat die Vorgabe des Verfassungsgerichts nach einem verfassungskonformen Erbschaftsrecht endlich erfüllt. Es gibt jetzt keinen Grund, bei der parlamentarischen Beratung profilierungssüchtig weitere Verzögerungen einzubauen, nur weil demnächst Landtagswahlen anstehen. Das neue Recht sollte spätestens zur Jahresmitte 2008 in Kraft sein.