Kommentar Ein Sauladen, viele Schweinepriester

  • von Hans Peter Schütz
Eigentlich sollte er den Laden richtig ausmisten. Doch zwei Jahre nach Dienstbeginn von Ernst Uhrlau ist der BND immer noch ein rechtsstaatlicher Sauladen. Und trotzdem darf er, einen Bespitzelungsskandal später, immer noch bleiben. Warum eigentlich?

Was geschähe mit dem Chef eines Finanzamts, dessen Beamte mit Steuerhinterziehern gemeinsame Sache machen, der davon erfährt, aber dann nur ganz nebenbei zu einem Mitarbeiter murmelt, er möge sich doch irgendwann mal drum kümmern? Der Mann flöge hochkant.

Was geschieht mit dem Chef des Bundesnachrichtendiensts (BND), einer überaus staatspolitisch sensiblen Behörde, der davon erfährt, dass seine Mitarbeiter sich wieder einmal den bekannten feuchten Kehricht um Gesetz und Dienstvorschriften scheren, aber dann nicht unverzüglich persönlich das Kanzleramt informiert, sondern zu seinem Büroleiter murmelt, er möge sich doch irgendwann mal drum kümmern? Der Mann darf bleiben.

Was beliebt…

Beim Finanzamt geht es „nur“ um Geld. Beim BND um eine Behörde, die sich demokratischer Kontrolle systematisch entzieht. Sich als Staat im Staat fühlt. Den rechtsfreien Raum als ihr Revier betrachtet, in dem sie tun und lassen kann, was gerade gefällt. So gesehen ist es politisch unverantwortlich, dass der BND-Chef Ernst Uhrlau nicht gefeuert wird. Seine Behörde ist zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ein rechtsstaatlicher Saustall, in dem viele Schweinepriester geduldet werden.

Ein zu hartes Urteil? Man muss sich die jüngste Schnüffelaffäre dann mal im Detail anschauen.

Krasses persönliches Versagen

Erstes Detail: 2006 fliegt auf, dass der BND seit Jahren systematisch Journalisten bespitzelt, abgehört, ausgespäht hat. Im Inland, wo er nichts zu suchen hat. Der Bundestag lässt die Affäre prüfen, setzt einen Sonderermittler ein, dessen Bericht über den Skandal am 26. Mai 2006 veröffentlicht wird. Der BND und sein Chef entschuldigen sich bei den Betroffenen und schwören: Kommt nie wieder vor. Doch ein Monat später wird weiter geschnüffelt. Devise: Ist uns doch egal, was die Parlamentarier sagen und die Gesetze bestimmen.

Zweites Detail: BND-Chef Uhrlau, der ja berufen worden war, um „auszumisten“, erfährt am 21. Dezember 2006, dass es schon wieder läuft wie gehabt. Mag sein, dass er mit dem Kopf schon unterm Tannenbaum war. Jedenfalls bittet er seinen Büroleiter, er möge sich doch mal drum kümmern, vergisst den Vorgang aber erst mal für zwei Monate. Weshalb hat er nicht unverzüglich den Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Thomas de Maiziére, angerufen. Sein Telefon ist abhörsicher und mit Zerhacker bestückt? Fast schlimmer noch: Entschuldigt hat sich Uhrlau bei der Betroffenen – doch das Parlamentarische Kontrollgremium unverzüglich zu informieren, hielt er für überflüssig. Das ist ein Fall krassen persönlichen Versagens und des Vertuschens. Hier schert sich ein Beamter keinen Deut um seine Pflicht, zeigt der Politik, was er von ihr hält. Nämlich nichts. Aber er darf bleiben.

Methode "Bock als Gärtner"

Drittes Detail: Weshalb? Weil der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl im Parlamentarischen Vertrauensmänner-Gremium zu Recht Uhrlaus Kopf fordert, legen sich die SPD-Vertreter unverzüglich quer. Nicht Uhrlau sei schuld, sondern die alten CSU-Seilschaften im BND, die seit Straußens Zeiten ihre schmutzigen Spiele spielten. Das ganze sei eine Intrige gegen Uhrlau, der ja Reformen predige und den ungeliebten BND-Umzug von Pullach nach Berlin betreibe. Kurzum, die Genossen mosern, wir lassen uns doch den SPD-Parteibuchträger Uhrlau nicht von jenen „Schwarzen“ raus schießen, die fürs Elend des BND verantwortlich sind.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Womit wir wieder beim Chef des Finanzamts und beim Chef des Bundesnachrichtendienstes sind. Der eine fliegt, der andere darf bleiben. Möglich macht es die Große Koalition, in der die Tugend der politischen Verantwortung nicht stattfinden darf. Da zieht man lieber ganz schnell einen Schlussstrich, wie der SPD-Politiker Thomas Oppermann mal wieder fordert. Und außerdem werde man sich jetzt um weitere Reformen beim BND bemühen, Hand in Hand mit Ernst Uhrlau.

Das ist dann mal wieder die bekannte Methode: Derjenige, der den Bock geschossen hat, der wird jetzt als Gärtner beschäftigt. Bis zum nächsten Bock.