Koalitionsvereinbarung ist Koalitionsvereinbarung. Also wird die Postbranche mit einem Mindestlohn versorgt. Just hat auch der Bundesrat zugestimmt. Aber damit ist die Messe noch nicht gesungen. SPD und Gewerkschaften werden nachlegen: Mindestlöhne für die Zeitarbeit, für die Wachdienste, für das fleischverarbeitende Gewerbe. Wenn nicht über das Entsendegesetz, dann über das Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Die CDU würde diesen Prozess lieber heute als morgen stoppen. Kann sie aber nicht.
Zwei Gleichungen der SPD
Also wird sie eine Mindestlohndebatte nach der anderen erleiden. Die Wirtschaftsliberalen der Union werden ein ums andere Mal aufjaulen und sich verzweifelt wehren. Doch damit besorgen sie nur das Geschäft der SPD. Denn die kann in solchen Situationen zwei Gleichungen aufmachen. Soziale Gerechtigkeit = Mindestlohn = SPD. Und andersherum: CDU = Dumpinglöhne = soziale Kälte. Der Schaden für die Union ist immens, denn alle Umfragen zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen Mindestlöhne völlig in Ordnung findet.
Angela Merkel weiß das. Sie will das Thema, das ihren wahlkämpfenden Ministerpräsidenten in Hessen, Hamburg und Niedersachsen gefährlich werden kann, möglichst rasch wegmoderieren. Deswegen hatte sie beim Post-Mindestlohn ihren Widerstand aufgegeben. Doch der Preis, den sie dafür zahlen muss, ist hoch. Ihr Verhältnis zu den Wirtschaftsliberalen in der eigenen Partei ist miserabel, einer von ihnen, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger, saß auf dem CDU-Parteitag mit geballter Faust in der Tasche. Auch das Verhältnis zu den Wirtschaftsbossen ist miserabel. Merkel hat sich im Fall des Post-Mindestlohnes sogar dazu genötigt gesehen, Mathias Döpfner, den Chef des Springer-Verlages, zu düpieren. Wer glaubt, dass die Bild-Zeitung dies nicht rächen wird, ist naiv.
Die Preise steigen
Was tun, Frau Merkel? Den jüngsten Meldungen zufolge wird in der Union erörtert, ob nicht doch ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden solle. Kurt Lauk, Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates plädiert dafür. Aus dem Umfeld der Unternehmensverbände ist zu hören, dass ein Korridor von sechs bis sieben Euro denkbar wäre. Eine Einigung darauf wäre mit der SPD vermutlich auch zu machen gewesen - im vergangenen Sommer. Jetzt sind die Preise höher, in jeder Hinsicht. Die Gewerkschaften verlangen 7,50 Euro und die SPD wäre blöd, wenn sie es der CDU einfach machen würde.
Merkel hat das Thema anfangs unterschätzt, nun klebt es der CDU wie Sch... an den Schuhen. Bei den Landtagswahlen wird sich zeigen, ob der Brocken schon so groß ist, dass man darauf ausrutschen kann.