Sie wurde als Rabenmutter beschimpft - und das "1000 Mal, direkt und indirekt". So hat es die saarländische Ministerpräsidentin und dreifache Mutter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erlebt. Etliche Parteifreunde hätten größte Sorgen um das Wohlergehen ihrer Kinder geäußert, als sie 1998 in den Bundestag einzog, erinnert sich die 49-Jährige in einem Interview. Haben sich die Zeiten geändert?
Das wird Familienministerin Kristina Schröder erfahren, die im Bundeskabinett die erste Frau mit Baby ist. Nach zehn Wochen mit Tochter Lotte Marie kehrte die 34-jährige CDU-Politikerin am Montag an ihren Schreibtisch zurück. Am Mittwoch hat sie ihren ersten Auftritt vor der Presse.
Bislang hielt sich die Konservative mit Antworten zurück, wie sie Kind und Karriere vereinbaren will. Lediglich dem "Wiesbadener Kurier" erzählte sie, dass sie den Mutterschutz "als sehr sinnvoll empfunden" habe, betonte aber gleichzeitig, ihr Privatleben von der Politik trennen zu wollen.
Offen zum Thema geäußert hatte sich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles - seit Januar Mutter einer Tochter: Sie gab vor ihrer Babypause zu, dass sie um ihren Posten fürchte. Nach der schnellen Rückkehr in ihren Job berichtete Nahles in der "Brigitte" von "fiesen Briefen von wegen Egotrip, karrieregeil und so". Diese kämen überwiegend von Männern. "Mutter sein und eine Führungsaufgabe wahrnehmen ist offenbar immer noch eine gesellschaftliche Kampfzone."
Sympathie für Väter, Gerede über Mütter
Auch wenn Nahles zuspitzt, richtig ist: Bei Männern wird die Frage nach der Vereinbarkeit von Kind und Karriere so gut wie nie gestellt. Das gilt erst recht für Staatsmänner. Bei den späten Vätern Tony Blair, Gerhard Schröder und Nicholas Sarkozy war allenfalls die Rede davon, ob ihnen der Familienzuwachs einen Sympathiebonus bringt.
Mit Müttern in Spitzenpositionen ist es dagegen ähnlich wie mit schwulen Outings in der Politik: Dafür, dass alles so normal sein soll, wird reichlich darüber geredet. "Wir sind schwanger!", diagnostizierte der "Focus" angesichts des Rummels um die Familienministerin. Dabei ist Deutschland keine Ausnahme. Die Spanier bekamen 2008 eine Verteidigungsministerin, die im siebten Monat schwanger war.
Auf Elterngeld hat Ministerin Schröder keinen Anspruch. Wie sie und ihr Mann, der Parlamentarische Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU), den Familienalltag regeln, war bislang Privatsache. Dem "Wiesbadener Kurier" antwortete Schröder nur mit einem Allgemeinplatz: "Wir organisieren unser Leben als Familie gemeinsam." Dabei ist es als politisches Thema genau ihr Ressort. Und in ihrer Partei wird das Familienbild viel diskutiert.
Krabbelgruppen auf dem Parteitag
Von der Leyen gratulierte Schröder zur Geburt mit den Worten: "Vivat Lotte Marie - Ein schöneres Signal als ein Baby im Kabinett kann ich mir für einen entspannten Umgang dieses Landes mit dem Thema Karriere mit Familie nicht vorstellen."

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Ist es wirklich so entspannt? Die Einschätzung der Soziologin Ulla Bock von der Freien Universität Berlin klingt skeptisch: Womöglich widerfahre der Familienministerin ähnliches wie Nahles. Man könne nur hoffen, dass Schröder von Selbstbewusstsein getragen werde und gute Freunde und Freundinnen um sich habe, die ihr helfen, Anfeindungen und despektierliche Wortmeldungen wie "karrieregeil" und "Egotrip" von sich abprallen zu lassen.
In der Union ist der Nachwuchs willkommen: Die CDU-Zentrale in Berlin sieht sich "selbstverständlich" als familienfreundlich. Das Adenauer-Haus organisiert auf Wunsch bei Gremiensitzungen und Parteitagen Wickeltische oder Krabbelgruppen. "Wir bieten grundlegend Unterstützung an", sagt eine Parteisprecherin. Einen festen Wickeltisch gebe es bislang nicht, weil noch kein Bedarf gemeldet worden sei. Falls Kristina Schröder ihre Tochter mitbringen will, will sich das Haus aber darauf einrichten.