In der Kundus-Affäre hat SPD-Chef Sigmar Gabriel Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Rücktritt für den Fall bewusster Falschaussage nahegelegt - auch wenn sich das entsprechende Zitat reichlich kompliziert liest. "Wenn Herr Jung zurücktreten musste", sagte Gabriel am Sonntag in Berlin, "weil er die Öffentlichkeit nicht vollständig informiert hat, Herr zu Guttenberg aber offensichtlich das alles, was wir hier tagtäglich in den Zeitungen lesen, wusste, aber der Öffentlichkeit ebenfalls nicht gesagt hat, dann gilt für ihn die gleiche Messlatte." Franz Josef Jung (CDU) musste gehen, weil er als Verteidigungsminister Informationen zu dem Luftangriff in Kundus nicht aufgearbeitet hatte.
Gabriel dringt auf Regierungserklärung
Gabriel forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Guttenberg zu einer Regierungserklärung auch über Berichte über Geheimabsprachen im Kanzleramt auf. "Es ist Zeit, dass die Bundesregierung in der jetzt beginnenden Woche eine Regierungserklärung abgibt, um mal Licht ins Dunkel zu bringen." Der Untersuchungsausschuss werde dann prüfen, ob die Aussagen Merkels und Guttenbergs der Wahrheit entsprechen. "Aber sie müssen jetzt mal dem Parlament Rechenschaft ablegen." Der Ausschuss müsse dazu auch den entlassenen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Ex-Staatssekretär Peter Wichert unter Eid als Zeugen vernehmen.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: "In der Erklärung möchten wir Antworten auf die Frage, ob es eine Auftragsänderung gegeben hat gegenüber dem Kommando Spezialkräfte (KSK), die eine Liquidierung von Talibanführern beinhaltete." In der "Rhein-Zeitung" sagte sie ferner: "So einen Auftrag hätte nur das Parlament erteilen dürfen." Gabriel sagte: "Man muss den Eindruck haben, dass die Debatte, die jetzt läuft, nicht nur zur Verschleierung dient dessen, was in Afghanistan läuft, sondern dass offensichtlich der Charakter der Bundeswehreinsätze verändert werden soll." Er betonte: "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und sie ist keine Interventionsarmee."
Guttenberg lehnt Rücktritt ab
Zu Guttenberg hatte zuvor Vorwürfe zurückgewiesen, er habe Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatsekretär Peter Wichert Ende November zu Unrecht entlassen. "Trotz aller bemerkenswerten Legendenbildung ist Tatsache, dass mir relevante Dokumente vorenthalten wurden. Dafür haben die beiden Herren die Verantwortung übernommen", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Guttenberg reagierte damit auf einen Bericht des Magazins "Spiegel".
Der Minister sieht sich durch die neuen Vorwürfe in der Kundus-Affäre nicht in seinem Amt gefährdet. Zu Rücktrittsforderungen sagte er: "Ja, ja: Je lauter das Rufen, umso gewichtiger die Argumente. Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war."