Das "Ristorante Roma" in der Saarbrücker Hafenstraße eine der feineren Adressen. Hier werden lauwarmer Hummer auf grünem Spargel gereicht oder auch Filet vom wilden Loup de mer in Pernodsauce. Die Themen, die bei Tisch besprochen werden, können etwas herzhafter sein. So war es, als Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linken, und Parteichef Oskar Lafontaine am Donnerstagabend dort tafelten. Es ging um nicht weniger als die Zukunft der Linken. "Oskar will wissen, wohin die Reise der Partei geht", sagt ein Vertrauter zu stern.de.
Das ist natürlich nicht ganz unabhängig davon, wer die Reiseziele festlegt. Das hat zu einem Machtkampf zwischen Oskar Lafontaine, dem Protagonisten der West-Linken, und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Vertreter der ostdeutschen Reformer, geführt. Das Verhältnis zwischen beiden ist zerrüttet, dem Vernehmen nach will Lafontaine auf dem Rostocker Parteitag im Mai nur dann nochmals als Parteichef kandidieren, wenn Bartsch zurücktritt. Bartsch hat das bislang strikt abgelehnt, aber im Gespräch mit stern.de gesagt, er habe sich noch nicht entschieden, ob und für welche Funktion er in Rostock kandidieren wolle.
Lafontaine nimmt sich Zeit
Eine Lösung des Problems brachte das Gespräch beim Nobel-Italiener offenbar nicht. Offizielle Begründung: Lafontaine brauche nach seiner Krebsoperation im November 2009 Zeit. "Die ärztlichen Untersuchungen bei Oskar Lafontaine sind noch nicht abgeschlossen", sagte Gysi in Saarbrücken. "Erst danach wird er über seine weitere politische Zukunft entscheiden. Die Zeit, die er dafür benötigt, ist ihm zu gewähren. Der Druck auf Lafontaine muss aufhören." Das bedeutet: Lafontaine wird sich zu dem Zeitpunkt erklären, den er für richtig hält.
Der Druck auf Bartsch allerdings bleibt vorerst bestehen - auch wenn ihm Co-Parteichef Lothar Bisky mit einer Solidaritätserklärung zur Seite sprang. Lafontaine wird nur weitermachen, wenn in der Parteizentrale ein Bundesgeschäftsführer sitzt, dem er vertraut. Dass ein Bartsch-Nachfolger aus einem der neuen Bundesländer kommen müsste, ist unumstritten.
Politischer Eiertanz
In den Linken-Landesbänden von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die den Rückzug von Bartsch gefordert hatten, wie stern.de berichtete, ist unterdessen ein politischer Eiertanz ausgebrochen. Mehrere Blätter - "taz", "Frankfurter Allgemeine" und "Neues Deutschland" - druckten Dementis der Briefeschreiber. So wurde die nordrhein-westfälische Landesparteichefin Katharina Schwabedissen mit dem Satz zitiert: "Es gibt keinen Brief aus NRW, in dem Bartschs Rücktritt gefordert wird."
Genau dies ist jedoch der Fall. Denn in dem an Gregor Gysi gerichteten Schreiben steht: "Wir bitten dich, mit Dietmar Bartsch ein Gespräch über sein Verhalten und seine Aktionen zu führen und ihm nahe zu legen, von der Funktion des Bundesgeschäftsführers Abstand zu nehmen. Er hat sein Amt missbraucht, um Machtpolitik zu betreiben. Der Schaden für die Partei ist noch nicht absehbar."
Ost gegen West - vor NRW-Wahlen
Auch der baden-württembergische Landesvorsitzende Bernd Riexinger bestritt im Neuen Deutschland, in seinem Brief an Gysi die Entlassung von Bartsch gefordert zu haben. Riexinger verweigerte dem Blatt, dem Bartsch früher als Geschäftsführer diente, Einsicht in den von ihm geschriebenen Brief. Wohl mit gutem Grund. Denn darin heißt es: "Ich bitte dich [Gregor Gysi, Red.], Dietmar Bartsch zu bewegen, eine andere Aufgabe außerhalb des Karl-Libeknecht-Hauses zu übernehmen, bevor die Lage in unserer Partei eskaliert und die Linke weiter Schaden nimmt." An anderer Stelle des Briefs wird erklärt, Bartsch sei "charakterlich mit einer Führungsaufgabe überfordert."
Der Konflikt zwischen Lafontaine und Bartsch ist damit auch ein Konflikt zwischen den Landesverbänden - bei dem sich, grob gesagt, West und Ost gegenüber stehen. Denn die Chefs der ostdeutschen Verbände haben sich am 6. Januar in einer Erklärung zu Bartsch bekannt. Politischer Erfolg lasse sich nur erringen, heißt es, "durch das Mitwirken von Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch." Das jedoch ist derzeit nicht abzusehen - und macht die Lage für die Linkspartei nicht leichter. Im Mai wird in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, gewählt. Dort sitzen die Linken (noch) nicht im Landtag.