Grundlegend neu war es nicht, was Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas am Dienstag in Berlin zur gesetzlichen Frauenquote präsentierten. Ab 2016 müssen in den Aufsichtsräten der börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen zu 30 Prozent Frauen sitzen. So stand es auch schon im Koalitionsvertrag. Abgesehen von einigen Konkretisierungen und Zahlen traten die beiden SPD-Minister gewissermaßen mit leeren Händen vor die Presse, sie stellten nicht einmal einen Gesetzesentwurf vor, sondern nur Leitlinien. Als "Einladung zur Diskussion", wie sie es nannten. Was indes nicht ganz richtig sein kann. Denn zugleich signalisierten sie mit jedem Satz: Viel zu diskutieren gibt es nicht mehr.
Das Duett der beiden SPD-Minister in der Bundespressekonferenz war sorgfältig inszeniert. Links die attraktive, ununterbrochen lächelnde Manuela Schwesig, rechts Heiko Maas, pragmatisch und analytisch. Sie spielten als eine Art Dream-Team der modernen, jungen SPD auf, die für gesellschaftspolitische Erneuerung steht - und dabei souverän über die Bedenkenträger im CDU-Wirtschaftsflügel hinweg regiert. "Historisch" nannte Schwesig die Frauenquote. Und das ist sie vielleicht auch. Da die Minister inhaltlich nicht viel Neues zu erzählen hatten, sollte diese Pressekonferenz neben dem Eigenmarketing wohl vor allem eine Botschaft an die Wirtschaft senden: Wir meinen es ernst.
Fest bindend für 108 Unternehmen
Ab 2015 soll die Quote im Gesetz verankert sein, ab 2016 gelten. Die Zahl der Unternehmen, die davon betroffen seien, liege derzeit bei 108, sagte Schwesig. Doch das ist nicht alles: Eine weichere Regelung soll zudem für Unternehmen gelten, die nur eine der beiden Voraussetzungen erfüllen, also börsennotiert oder mitbestimmt sind. Derzeit seien das rund 3500. Sie müssen sich ab 2015 selbst verbindliche Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils geben, und zwar nicht für den Aufsichtsrat sondern auch für den Vorstand und zwei Managementebenen darunter. Über ihren Erfolg bei der Verfolgung dieser Ziele müssten die Unternehmen öffentlich berichten.
Die großen Bundesunternehmen wie etwa die Bahn aber auch Ministerien und Verwaltungen sollen mit gutem Beispiel voran gehen. 50 Prozent der Vertreter, die der Bund künftig in deren Gremien sendet, sollen in jedem Fall Frauen sein.
Kritik aus dem CDU-Wirtschaftsflügel
Diese Fortschritt bei der Frauenquote feierten die beiden Minister als großen Durchbruch. "Es geht um Macht, Einfluss und Geld, sonst wären die Widerstände nicht so groß", sagte Schwesig. Die freiwilligen Abmachungen mit der Wirtschaft hätten sich als "zahnloser Tiger" erwiesen - ein Seitenhieb an die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder, die sich mit ihrer Flexi-Quote an dem Thema aufrieb. "Die Zeit der Apelle ist vorbei", sagte Maas. "Wir haben heute die am besten ausgebildeten Frauen überhaupt. Das muss sich endlich auch in den Chefetagen widerspiegeln."
Kritik an der Frauenquote kommt aus dem Wirtschaftsflügel der Union. "Die Frauenquote ist ja gut gemeint, aber wird von oben herab falsch angegangen", sagt Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, zu stern.de. "Das Geschlecht darf kein Ersatz für die richtige Qualifikation an der richtigen Stelle sein." Eignung und Leistung müssten vielmehr Maßstab für die Besetzung sein. Lauk warnte, dass zum Beispiel der geringe Anteil von Frauen in den Ingenieursberufen es schwer machen werde, die Quote zu erfüllen.
Schwesig und Maas glauben, dass sich trotzdem genügend weibliche Bewerber für die Aufsichtsräte finden werden. "Es gibt heute mehr Abiturienten, in vielen Fächern auch mehr weibliche Hochschulabsolventinnen", sagte Maas. Bei den 108 Top-Unternehmen fehlten insgesamt nur 174 Frauen, um auf einen Anteil an 30 Prozent zu kommen, rechnete Schwesig vor. "Ich bin sicher, dass unter den über 40 Millionen deutschen Frauen 174 dabei sind, die diesen Job gut können."
Wirtschaft muss sich auf die Quote einstellen
Die nun präsentierten Leitlinien der Quote seien mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel abgestimmt, erklärte Schwesig. Damit dürfte sich der Streit um die Quote - Wirtschaftsflügel hin oder her - koalitionsintern in engen Grenzen halten. Zwei Jahre hat die Wirtschaft jetzt Zeit, Frauen für die Aufsichtsräte zu finden. Der aktuelle Status Quo entspricht nicht den Wunschvorstellungen des SPD-Duos, die 30 Dax-Aufsichtsräte nähern sich der geforderten Quote erst langsam an, in den Aufsichtsräten der 200 umsatzstärksten Unternehmen hinkt der Anteil noch weit hinterher.
Sollte es den 108 Top-Unternehmen, für die die gesetzliche Quote gelten wird, nicht gelingen, ihre Aufsichtsräte zu 30 Prozent mit Frauen zu besetzen, sollen die Stühle leer bleiben, mahnte Maas. Er räumte jedoch ein, dies sei ein eher theoretisches Problem. "Ich rechne nicht damit, dass auch nur ein einziges Mandat unbesetzt bleibt." Schließlich gelte die 30-Prozent-Quote sowohl für die Arbeitnehmer- wie die Arbeitgeberseite in den Aufsichtsräten. Keine Seite würde es zulassen, Sitze leer zu lassen, weil damit Stimmgewicht verloren gehen würde.
Opposition will Quote ausweiten
Der Opposition gehen die Regeln nicht weit genug. Die grüne Rechtsexpertin Renate Künast kritisierte, die feste 30-Prozent-Quote müsse auch jene 3500 Unternehmen treffen, die nach Koalitionsplänen bislang selbst ihre Ziele festlegen dürfen. "Scheinbar hat sich die CDU also bereits hier durchgesetzt", sagte sie.
Auch Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte die weiche Quote für die 3500 Unternehmen, hinter der sich alles verbergen könne oder nichts. "Die vorgestellten Leitlinien bewegen sich auf dem Minimalniveau des Koalitionsvertrages", sagte sie. Die Linke fordert zudem eine Quote von 50 Prozent.