Das Bundeskanzleramt geht Vorwürfen nach, die frühere Regierung Kohl habe Anfang der 80er-Jahre massiv Einfluss auf ein Gutachten zum Standort Gorleben als Atommüll-Endlager genommen. "Alle Akten kommen auf den Tisch, alle Akten werden ausgewertet", sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in Berlin. Sollte sich dabei zeigen, dass etwas nicht in Ordnung sei, werde man den Vorgang neu bewerten müssen.
Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hatten die zuständigen Ministerien während der Amtszeit Helmut Kohls im Jahr 1983 Druck auf die Wissenschaftler ausgeübt, die eine Eignung Gorlebens als Endlager prüfen sollten. Dabei beruft sich die Zeitung auf ein Fernschreiben an die zuständige Fachbehörde.
Fast 100 Aktenordner müssen geprüft werden
Der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater sagte, das Kanzleramt habe das Umweltministerium aufgefordert, alle Akten zu Gorleben zur Verfügung zu stellen. Seit Dienstagabend lägen die 80 bis 90 Ordner zur Auswertung vor. Ihn persönlich verwundere allerdings, dass die Akten, die schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert schlummerten, ausgerechnet drei Wochen vor der Bundestagswahl auftauchten. Die gleichzeitig formulierten Vorwürfe müssten zunächst überprüft werden.
Umweltminister Sigmar Gabriel hatte zuvor die Existenz des Fernschreibens des Forschungsministeriums aus dem Jahr 1983 bestätigt, in dem die damalige Physikalisch-Technische Bundesanstalt angewiesen wurde, ein kritisches Gutachten zu Gorleben umzuschreiben. Dass die damalige Bundesregierung unter Kanzler Kohl massiv Einfluss zugunsten des umstrittenen Standorts genommen habe, sei ein "handfester Skandal", kritisierte der Minister in Hannover.