Mitarbeiterbeteiligung Profit für beide Seiten

Die deutschen Unternehmen florieren, aber ihre Arbeitnehmer gehen leer aus - bisher. Jetzt wollen CDU und SPD die Mitarbeiter stärker an Erfolg und Kapital beteiligen. In Betrieben, die das schon machen, gewinnen Chefs und Beschäftigte.

Was sie denn gerne trinken möchten, fragen Lufthansa-Stewardessen ihre ganz normalen Fluggäste. Wenn Stefan Lauer im Flugzeug unterwegs ist, bekommt er schon mal ganz anderes zu hören. "Herr Lauer, der Aktienkurs muss hoch." Eigentlich ein bisschen frech. Denn immerhin ist Lauer Vorstandsmitglied der Lufthansa und obendrein noch fürs Personal zuständig. Doch der Manager freut sich sogar: "Immer mehr Mitarbeiter haben Aktien und verfolgen die Kursentwicklung ganz genau", sagt Lauer.

So soll es sein im schönen neuen Kapitalismus, wo die Arbeitnehmer nicht nur für ihren Lohn schaffen, sondern auch als Miteigentümer Gewinne einstreichen. Bisher ist das die Ausnahme. Aber wenn es nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck geht, wird es ganz schnell zur Regel. Kaum wollte die CDU auf ihrem Parteitag ein Programm "für mehr Arbeitnehmerbeteiligung an Gewinn und Kapital" beschließen, da kündigten die Sozialdemokraten schon ein Konzept für "Investivlöhne" an.

Die Regierungsfraktionen haben sich nach stern-Informationen darauf verständigt, das Thema im ersten Quartal 2007 anzupacken - parallel zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Ähnlich wie bei der Altersvorsorge soll der Fiskus auch bei Mitarbeiterbeteiligungen erst im Fall der Auszahlung zur Kasse bitten - die Höchstbeträge sind aber noch umstritten.

Es hat ein wenig gedauert, bis die Botschaft des Bundespräsidenten bei der Großen Koalition angekommen ist. Vor knapp einem Jahr hatte Horst Köhler in einem stern-Interview gesagt, er halte "die Zeit für gekommen, die Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer oder ihre Beteiligung am Produktivvermögen wieder auf den Tisch zu bringen". In der Globalisierung könnten "solche Kapitalbeteiligungen in Arbeitnehmerhand dazu beitragen, einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken".

Lufthansa belohnt die Mitarbeiter mit eigenen Aktien

Das Modell: Die Deutsche Lufthansa AG beteiligt die Beschäftigen jedes Jahr am Unternehmenserfolg. Zuletzt lag der Konzernbonus zwischen 200 und 311 Euro. Die Mitarbeiter können Barauszahlung wählen oder die Prämie in Aktien investieren. Für den Kauf zusätzlicher Aktien ("LH-Chance") gibt es ein zinsloses Darlehen.
Personalvorstand Stefan Lauer: "Die Beteiligung am Ergebnis ist eine Frage der Gerechtigkeit. Nicht nur der Vorstand, sondern alle Mitarbeiter sollen teilhaben, wenn es dem Unternehmen gut geht."
Mitarbeiteraktionär Georg Barke: "Keiner wird gezwungen, Aktien zu kaufen. Für mich ist es eine gute Sache. So baue ich mir zusätzliches Kapital zu meioner Rente auf."

Neu ist die Idee nicht. Schon Ludwig Erhard, der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, wünschte sich in den 50er Jahren eine "Gesellschaft von Teilhabern". Doch vor allem die Tarifpartner bremsten. Die Gewerkschaften fürchteten eine "Verwischung" der Interessengegensätze von Kapital und Arbeit. Sie wollten lieber überbetriebliche Fonds als die Beteiligung am jeweiligen Unternehmen. Die Arbeitgeber, vor allem im Mittelstand, sorgten sich, dass ihnen beteiligte Arbeitnehmer und Gewerkschaftsfunktionäre zu sehr in die Unternehmsführung reinreden.

Von Erhards großen Plänen blieb nicht viel übrig. Das "Vermögensbildungsgesetz" (später bekannt als 624-Mark-Gesetz) fördert seit 1961 mit der Arbeitnehmersparzulage auch die Beteiligung an der eigenen Firma - aber dabei geht es heute um einen Betrag von höchstens 400 Euro und eine Zulage von 72 Euro im Jahr. Außerdem dürfen Unternehmen ihren Beschäftigten pro Jahr Anteile im Wert von 135 Euro steuerfrei überlassen.

Die Lufthansa nutzt diese Möglich-keiten wie zwei Drittel der anderen Dax-Konzerne auch, um ihren Mitarbeitern Belegschaftsaktien anzubieten. Immerhin 40 Prozent der Beschäftigten kaufen für ihren Jahresbonus Aktien. "Wir machten unsere Mitarbeiter mental zu Eigentümern", sagt Lufthansa-Manager Lauer. Real bleibt die Dimension bescheiden: Für Tarifmitarbeiter beträgt die Erfolgsbeteiligung nur rund zwei Prozent des Jahreslohns.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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In ganz anderen Dimensionen bewegt sich der Software-Konzern SAP. "Wir haben außer unseren Mitarbeitern kein Kapital", sagt Vergütungs-Leiter Gabriel Wiskemann. "Wir müssen alles tun, um die Besten zu bekommen." Deswegen gibt es neben einem Programm zur Teilhabe an Kurssteigerungen und Zuschüssen zum Aktienkauf auch noch eine Erfolgsbeteiligung. Zuletzt machte die immerhin 154 Prozent eines Monatsgehaltes aus. Weihnachts- und Urlaubsgeld dagegen sind abgeschafft - und so müssten die Software-Spezialisten in einem sehr schlechten Jahr auch einmal ganz ohne Sonderzahlung auskommen. Das ist möglich, weil SAP nicht an Tarifverträge gebunden ist.

Bei Globus sind die Mitarbeiter auch Mitgesellschafter

Das Modell: In Globus-SB-Warenhäusern dürfen sich die Beschäftigten als "stille Gesellschafter", also ohne Mitspracherecht, beteiligen. Jedes Jahr können bis zu 780 Euro eingezahlt werden. Dazu gibt es einen steuerbegünstigen Zuschuss des Arbeitgebers. Die Einlage wird mit fünf Prozent verzinst, je nach Ergebnis des Betriebes kommt ein Bonuszinssatz von bis zu drei Prozent obendrauf.
Geschäftsleiter Jürgen Groß: "Der Erfolg unseres Hauses zeigt sich für die Mitarbeiter in der Verzinsung. Zuletzt gab es sieben Prozent."
Kassiererin Birgit Straub: "Früher hatte ich einen Bausparvertrag, bei Globus ist die Verzinsung besser. Ich bekomme 600 Euro. Das ist schönes Weihnachtsgeld."

Das SAP-Modell würden viele Arbeitgeber am liebsten übernehmen: Die Beschäftigten verzichten zunächst aufs Weihnachtsgeld und bekommen im Gegenzug in guten Jahren eine Erfolgsprämie. Die Gewerkschaften aber lehnen Lohnverzicht ab. Die Erfolgsbeteiligung müsse es "on Top" geben, fordert IGMetall-Chef Jürgen Peters. Man könnte es das Porsche-Modell nennen: Der Sportwagenbauer hat nach einem Rekordjahr seinen Mitarbeitern zusätzlich zum Weihnachtsgeld einen Bonus von 3500 Euro gezahlt.

Das Ergebnis der gegenseitigen Blockade: In Deutschland ist die Mitarbeiterbeteiligung viel weniger verbreitet als in anderen europäischen Ländern. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) ergab: Im Jahr 2005 ließen nur neun Prozent der Betriebe ihre Beschäftigten am Gewinn teilhaben, lediglich zwei Prozent machten ihre Arbeitnehmer auch zu Miteigentümern.

Zum Beispiel die Handelskette Globus. Über den Eingängen der 36 SB-Warenhäuser hängt der Slogan "Da ist die Welt noch in Ordnung". Das gilt für Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen. Seit 1990 haben sich mehr als 10 000 Beschäftigte an ihrem Betrieb beteiligt und kassieren eine vom Erfolg abhängige Verzinsung. Zugleich landet Globus seit zwölf Jahren bei Umfragen zur Kundenzufriedenheit stets auf den ersten Plätzen.

Eigentümer Thomas Bruch steuert die Märkte nicht zentral, sondern lässt seinen Geschäftsleitern vor Ort viel Freiheit. Jürgen Groß vom SB-Warenhaus im badensischen Waghäusel sagt: "Bei uns ist der Mitarbeiter Unternehmer vor Ort - auch an seinem Regal. Das ist unser Erfolgsgeheimnis." Zwischen den Abteilungen gibt es einen sportlichen Wettbewerb um die höchsten Umsätze, aber das Betriebsklima bleibt trotzdem gut: Von den 500 Beschäftigten ist die Hälfte schon mehr als zehn Jahre dabei - ein hoher Wert für den Einzelhandel. So scheint Globus das zu schaffen, was in der Managersprache "Win-Win" heißt: Die Kunden kommen gern, die Mitarbeiter sind zufrieden, und die Eigentümer erzielen im Branchenvergleich ordentliche Gewinne.

In der Werner AG ist der Chef nicht mehr Herr im Haus

Das Modell: Schreinermeister Toni Werner wandelte 1998 seine auf Holzgleittüren spezialisierte Firma in eine Aktiengesellschaft um. Ihm gehören heute nur noch 20 Prozent der Aktien, die Mehrheit haben zwölf Mitarbeiter. Die Beschäftigten haben dafür einen Kredit aufgenommen. Bisher gab es keine Ausschüttungen.
Vorstandschef Toni Werner: "Wir haben das eingezahlte Kapital in Innovationen investiert. Seit der Gründung der AG hat sich der Umsatz verdoppelt. Das hätte ich als Einzelkämpfer nicht geschafft."
Mitaktionär Martin Kramp: "Bei uns werden immer neue Wege gegangen. Ein Grund dafür ist, dass alle Kollegen beteiligt sind und sich stark engagieren. Hier guckt keiner auf die Uhr."

Auf den ersten Blick scheint Mitarbeiterbeteiligung nur etwas für große Unternehmen zu sein. Die IAB-Statistik zeigt auch: Je kleiner die Firma, desto seltener profitieren die Angestellten vom Erfolg.

Insofern ist die Werner AG aus Laufach in Nordbayern ein echter Exot. Schreinermeister Toni Werner hat 1998 seine Leute als Partner in den Betrieb aufgenommen und eine der kleinsten Aktiengesellschaften Deutschlands gegründet - mit Erfolg: Der Umsatz hat sich seitdem verdoppelt. In der Innung beäugen ihn die Kollegen trotzdem. "Mitarbeiterbeteiligung hat den Ruch des Kommunismus", sagt der heutige Vorstandsvorsitzende. Dabei geht es im neuen Firmengebäude "Eichenhaus" ziemlich kapitalistisch zu. Die Mitarbeiter sind nun Mitunternehmer. Zwar sind die Gehälter höher als der Tarif, doch dafür pocht niemand auf die Einhaltung der Arbeitszeit. Es wird gemeinsam rangeklotzt.

Mehr noch: Die Beschäftigten haben ihre Beteiligung auf Kredit finanziert. Falls die Firma doch einmal pleite gehen würde, wäre beides weg: Job und Geld. Gewerkschafter sprechen in solchen Fällen vom "doppelten Risiko".

Die Angst vor der Pleite ist eine der größten Hemmschuhe für die Mitarbeiterbeteiligungen. Ob bei Lufthansa, Globus oder Werner - im Konkursfall wären die Einlagen weg. CDU und SPD wollen deswegen einen Teil des Kapitals für den Kursfall absichern.

Die Gefahr der Insolvenz ist allerdings in Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung geringer als in denen ohne. Laut einer IAB-Studie ist die Wertschöpfung pro Kopf in Beteiligungsbetrieben 60 Prozent höher. Zudem sind die Firmen innovativer, sie haben qualifiziertere Leute und geringere Fehlzeiten. Hier stellt sich die Frage nach Henne und Ei: Beteiligen starke Unternehmen ihre Mitarbeiter öfter als schwache - oder sind die Betriebe besser, weil sie ihre Beschäftigten am Erfolg teilhaben lassen?

Bei Homag zählt die Partnerschaft

Das Modell: Der Maschinenbauer beteiligt seine Mitarbeiter als "stille Gesellschafter", bei der Tochter Weeke in Höhe von vier Monatsgehältern. Dafür gibt es einen Kredit, der durch Ausschüttungen getilgt wird. Die Rendite lag in den letzten Jahren bei 29 Prozent.
Firmengründer Gerhard Schuler: "Ich kann als Unternehmer nicht nur Opfer fordern - ich muss auch etwas bieten."
Maschinenbauer Michael Feldmeier: "Bei uns hört man schon mal öfter den Spruch: Halt Dich ran - das geht sonst alles von unserer Beteiligung ab."

Für Gerhard Schuler, Gründer der Maschinenbaugruppe Homag, ist die Anwort klar. Der 80-jährige Unternehmer beteiligt seine Mitarbeiter schon seit 1974 an Gewinnen und Verlusten. Auch er wurde gelegentlich als "Edelkommunist" beschimpft. Doch schon allein aus ökonomischen Gründen setzt Schuler auf das Prinzip: "Es geht mir weniger darum, die Mitarbeiter am generierten Erfolg zu beteiligen, als darum, Gewinn zu generieren." Und der ist einfach höher, wenn auch die Beschäftigten profitieren. "Die Mitarbeiterarbeiterbeteiligung ist unser Erfolgsfaktor Nummer eins," sagt Schuler, "heute sind wir Weltmarktführer.

Der Spezialist für Holzbearbeitungsmaschinen hat eine so partnerschaftliche Unternehmenskultur, dass Führungskräfte sich regelrecht erschrecken, wenn sie in das Unternehmen wechseln. "Das war ein Kulturschock", sagt Jürgen Albers, Geschäftsführer der Homag-Tochter Weeke in Herzebrock in Westfalen, "für mich war der Betriebsrat früher ein Feind." Nun muss er den Betriebsratsvorsitzenden zur monatlichen Runde der Geschäftsleitung einladen, in der alle Zahlen auf den Tisch gelegt werden.

Obwohl Weeke schwarze Zahlen schreibt, haben das Unternehmen und die IG Metall einen Standortsicherungsvertrag geschlossen. "Unser Problem war Polen", sagt Betriebsratschef Jochen Meyer. Dort hätten sich einige Arbeiten deutlich billiger erledigen lassen. Also schaffen die Maschinenbauer nun für den gleichen Lohn pro Woche zweieinhalb Stunden mehr. Im Gegenzug garantiert die Firma die Arbeitsplätze, investierte und steigerte die Zahl der Ausbildungsplätze.

Solchen betriebliche Bündnisse sind heute üblich. Ungewöhnlich ist, dass die Arbeitnehmer von ihrem Opfer finanziell profitieren - über die Mitarbeiterbeteiligung. Bei Weeke werden 20 Prozent des Gewinns an die Beschäftigten ausgeschüttet - zuletzt 1,8 Millionen Euro. Das entspricht sieben Prozent der Lohnsumme.

Der Politik gefällt's. "Die Beteiligung der Mitarbeiter ist die logische Ergänzung zu betrieblichen Bündnissen", sagt Karl-Josef Laumann, Chef der CDU-Arbeitnehmerschaft. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sieht im Investivlohn sogar ein Mittel gegen die Heuschreckenfonds: "Mitarbeiterbeteiligung ist eine Alternative zu Private Equity." Wenn Unternehmen vor der Schließung oder dem Verkauf stehen, könnten bei besseren Rahmenbedingungen künftig die Beschäftigten selbst die Firma übernehmen - sozusagen "ein Mitarbeiter-Buy-Out".

Flachglas gehört der Belegschaft

Das Modell: Dem Mutterkonzern waren die Renditen des Glasveredlers zu gering. Um ihre Jobs zu retten, kauften 560 Beschäftigte vor sieben Jahren für 3,7 Millionen Mark 51 Prozent ihres Werkes. Die Firma gab dafür Kredite, die inzwischen getilgt sind. Zum ersten Mal wurden nun pro Kopf 330 Euro Gewinnbeteiligung ausgeschüttet.
Geschäftsführer Reinhold Herrmann: "Wir müssen für den letzten Euro mehr Gewinn keine Leute entlassen."
Betriebsratsvorsitzender Richard Thaller: "Den Kollegen ging es um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Wenn es dazu noch Ausschüttungen gibt, ist das umso besser."

Wie das funktionieren kann, hat der SPD-Politiker in seiner Heimatregion in der Oberpfalz erlebt. Der britische Pilkington-Konzern forderte 1998 von allen Töchtern mindestens 15 Prozent Umsatzrendite. Die konnte das Glasveredelungswerk in Wernberg nicht liefern. Es drohte die Schließung. Da wurden Betriebsrat und die Gewerkschaft IG BCE aktiv. Am Ende kauften die Mitarbeiter dem Konzern die Mehrheit ihres Werkes ab.

Die heutige Flachglas Wernberg GmbH wird nach wirtschaftlichen Kriterien geführt, schreibt schwarze Zahlen, und die beteiligten Arbeitnehmer haben Experten von außen in den Aufsichtrat geschickt. Unternehmensziel ist nicht die Profitmaximierung um jeden Preis, so Geschäftsführer Reinhold Herrmann, sondern: "Wir wollen bei ausreichenden Gewinnen möglichst viele Arbeitsplätze erhalten."

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