Nach Streit mit Erdogan Angela Merkel zu Türkei-Besuch aufgebrochen

Vier Jahre nach ihrem letzten Besuch bricht Bundeskanzlerin Angela Merkel heute zu einer zweitägigen Türkei-Reise auf.

Vier Jahre nach ihrem letzten Besuch bricht Bundeskanzlerin Angela Merkel heute zu einer zweitägigen Türkei-Reise auf. Dabei trifft die CDU-Vorsitzende mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Präsident Abdullah Gül zusammen. Erdogan hatte am Wochenende erneut bestritten, dass die Führung des Osmanischen Reichs einen Völkermord an den Armeniern verübt habe. Für Zündstoff könnte auch Erdogans Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland sorgen.

Merkel reist zunächst nach Ankara, wo sie mit türkischen Politikern sprechen will. Zudem ist eine Kranzniederlegung am Atatürk-Mausoleum vorgesehen. Am Dienstag besucht die Kanzlerin in Istanbul die Hagia Sophia und die Blaue Moschee. Außerdem kommt sie mit Vertretern deutscher Kirchengemeinden und Wirtschaftsvertretern zusammen. Die Kanzlerin wird von einer Wirtschaftsdelegation, Abgeordneten der Bundestagsfraktionen und der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer begleitet.

Merkel will auch über das Dauerthema EU-Beitritt reden, wie aus Regierungskreisen verlautete. Die Fronten sind verhärtet: Merkel plädiert lediglich für eine "privilegierte Partnerschaft", wie es mit der FDP im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Die Türkei sieht das anders. "Wir führen bereits die Verhandlungen, und zwar auf Vollmitgliedschaft. Für uns gibt es dazu keine Alternative", sagte Erdogan.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warnte vor einem schnellen EU-Beitritt der Türkei. "Entscheidungen dürfen keinesfalls im Hauruck-Verfahren gefällt werden. Wir sehen im Moment im Falle Griechenlands, vor welchen Herausforderungen die EU steht. Damit verbietet sich eine schnelle Erweiterung", sagte er dem "Handelsblatt" . Er halte "eine privilegierte Partnerschaft noch immer für das beste Angebot, das Deutschland der Türkei machen kann".

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der "Süddeutschen Zeitung", Merkel investiere nichts in die Beziehungen zur Türkei. Sie vergeude so die Chance, mit ihrem Besuch die Rolle der Türkei als Friedensvermittler im Nahen Osten zu stärken. Özdemirs Co- Vorsitzende Claudia Roth warf Merkel vor, nicht entschieden genug für die Integration von Migranten einzutreten. "Es reicht nicht aus, großspurig vor ihrer Abreise in die Türkei anzukündigen, die Bundeskanzlerin aller türkischstämmigen Menschen in Deutschland sein zu wollen, gleichzeitig aber der Türkei die Beitrittsperspektive in die EU zu verweigern", sagte sie der Zeitung "Die Welt". Das Ziel müsse die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU sein.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lobte die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei, forderte aber zugleich bessere Rahmenbedingungen. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann sagte der "Berliner Zeitung", wirtschaftlich gehöre die Türkei bereits zu Europa. "Die Wirtschaft braucht offene Märkte, und tatsächlich ist die Türkei durch die Zollunion mit der EU wirtschaftlich schon weiter integriert, als allgemein wahrgenommen wird." Wichtig wären substanzielle Reiseerleichterungen für die türkischen Partner, sagte Driftmann. Nach DIHK-Angaben sind fast 4000 deutsche Unternehmen mit einer Niederlassung oder eigenem Kapital in der Türkei vertreten. Umgekehrt sei Deutschland für die Türkei der größte Handelspartner.

DPA
APN/DPA