Die Fronten zwischen FDP und Zentralrat der Juden in Deutschland sind unvermindert verhärtet. Der Zentralrat forderte am Dienstag nach einem Treffen in Berlin erneut die Ablösung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen Möllemann, der den so genannten Antisemitismus-Streit ausgelöst hatte. FDP-Chef Guido Westerwelle lehnte dies ab, wollte aber nach dem Gespräch dazu nicht erneut vor Journalisten Stellung nehmen. Möllemann, der an dem Treffen nicht teilnahm, wollte sich ebenfalls nicht zu den Rücktrittsforderungen äußern. »Es gibt keine neuen Stellungnahmen«, sagte ein Sprecher Möllemanns in Düsseldorf. »Was zu sagen war, ist gesagt, was zu tun war, ist getan.« Damit bezog Möllemann - einen Tag nach einem Gespräch mit Westerwelle - eine ähnliche Position wie der Parteichef.
Problem Möllemann bleibt ungelöst
Zentralrats-Präsident Paul Spiegel sagte nach dem gut eineinhalbstündigen Gespräch in Berlin, es stelle sich weiterhin die Frage, ob Möllemann Parteivize bleiben kann. Dies müsse der Bundesvorstand der Liberalen entscheiden. Von einem Schlussstrich könne keine Rede sein. »Für uns ist das Problem nicht gelöst«, sagte Spiegel und ließ deutliche Distanz erkennen. Die Atmosphäre während des Gespräches sei »kollegial« gewesen, »wie es sich unter Demokraten gehört«, betonte Spiegel. Viele Fragen seien »offen angesprochen« worden, nicht in allem sei man sich einig. Doch er habe erkennen können, dass »viele im Bundesvorstand« das Problem »mit großem Engagement« bereinigen wollten. Beide Seiten verständigten sich auf weitere Treffen in unregelmäßigen Abständen.
»Das kann der FDP das Rückgrat brechen«
Auch Zentralrats-Vize Michel Friedman verlangte Sanktionen der Liberalen gegen Möllemann. Das bisherige Vorgehen sei nicht »politisch untermauert«, solange Möllemann nicht mit Sanktionen rechnen müsse. »Dieser Spagat kann das Rückgrat brechen«, warnte er. Friedman stellte nach dem Treffen aber auch fest, dass in der FDP eine »Sensibilisierung merklich« sei. Beide Seiten vermieden einen gemeinsamen Auftritt vor der Presse. Im Anschluss an Spiegel und Friedman sprach auch Westerwelle von einem »guten und konstruktiven Gespräch«. Dass Spiegel und weitere Vertreter des Zentralrates zu einem Meinungsaustausch in die FDP- Zentrale gekommen seien, sei »ein wirklich großes Zeichen« und »ein sehr guter Anfang«. Die FDP wolle den Dialog mit den Zentralrat der Juden wieder knüpfen.
Westerwelle weigerte sich wiederholt Fragen zu beantworten, die in seinen Augen die Antisemitismus-Debatte wieder lostreten könnten. Es gelte jetzt, neues Vertrauen zu schaffen. Was intern zu sagen sei, werde er ansprechen, sagte er und signalisierte damit internen Gesprächsbedarf. Möllemann hatte unter anderem Friedman vorgeworfen, mit seiner »intoleranten und gehässigen Art« selbst zum Antisemitismus in Deutschland beizutragen. Friedmans Forderung, sich zu entschuldigen, lehnt Möllemann ab. Der Zentralrat will deshalb mit ihm nicht an einem Tisch sitzen.
Schröder sieht derzeit keine Basis für Koalition mit der FDP
Nach den Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schadet der Antisemitismus-Streit dem Ansehen Deutschlands. Dieses dürfe »nicht durch törichte Debatten im eigenen Land und schon gar nicht dadurch aufs Spiel gesetzt werden, dass demokratische Parteien aus eigener Schuld in die Nähe antisemitischer Debatten sich bringen und bringen lassen«, sagte der Kanzler bei einer BDI-Jahrestagung. Da helfe auch keine Entschuldigung, sondern nur Umkehr. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Joschka Fischer (Grüne) machte Schröder später erneut deutlich, dass er derzeit keine Basis für eine Koalition mit der FDP sehe. Fischer sagte, die Beziehungen zu Israel dürften zu keinem Augenblick in Frage gestellt werden.