NAZI-VERBRECHEN Zwangsarbeiter: erste Zahlungen schon in sechs Wochen?

Jetzt soll die Stiftungsinitiative für eine schnelle Weiterleitung ihrer fünf Milliarden Mark für die Zwangsarbeiterentschädigung sorgen.

Der Bundesverband Information und Beratung für NS- Verfolgte hält Auszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter in sechs Wochen für möglich. Voraussetzung sei aber, dass beim Treffen von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Wirtschaftsvertretern heute Abend in Berlin für mehr Rechtsverbindlichkeit gesorgt werde, sagte der Geschäftsführer des Verbandes, Lothar Evers, in der ARD.

Gestern hatte die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft erklärt, sie habe die zugesagten 5 Milliarden Mark für die Entschädigung beisammen. Bislang fehlten noch 1,4 Milliarden. »Wir müssen aus den blumigen Erklärungen heraus und Nägel mit Köpfen machen«, sagte Evers. Er forderte deshalb die schnelle Überführung des Geldes an die Stiftung.

Außerdem forderte Evers ein Umdenken der Stiftungsinitiative bei der Rechtssicherheit. Es sei »Quatsch«, die Abweisung weiterer Einzelklagen in den USA abwarten zu wollen. Evers wies darauf hin, dass jeder einzelne Verfolgte eine individuelle Verzichtserklärung abgebe. Es müsse langsam gut sein mit dem Sicherheitsbedürfnis deutscher Juristen.

Volker Beck: Geld sollte jetzt schnell überwiesen werden

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, verlangte von der Stiftungsinitiative eine schnelle Weiterleitung ihrer 5 Milliarden Mark für die Zwangsarbeiterentschädigung. Das Geld müsse entweder sofort an die Stiftung überwiesen oder wenigstens treuhänderisch zur Verfügung gestellt werden, sagte im Deutschlandfunk

Beck sprach sich dafür aus, die Auszahlungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter noch vor der Sommerpause zu ermöglichen. Falls dies nicht möglich sei, müsse man über eine Änderung des Stiftungsgesetzes nachdenken. Das Gesetz könne so geändert werden, dass die Auszahlungen von der Frage der Rechtssicherheit entkoppelt würden. Es sei aber erst sinnvoll, nach dem Besuch von Schröder in den USA Ende März über eine solche Änderung nachzudenken.

Jewish Committee kritisiert deutsche Wirtschaft

Das »American Jewish Committee« kritisierte die Forderung der deutschen Wirtschaft nach Rechtssicherheit vor weiteren Klagen. »Die deutsche Wirtschaft hat ein Niveau von Rechtssicherheit gefordert, das es einfach so nicht gibt«, sagte die Leiterin des Deutschland-Büros, Deirdra Berger. »Man hat den Eindruck, dass auch alle zukünftigen Klagen bereits im Vorfeld abgewiesen werden müssen. Und dann fragt man sich natürlich, wann die Auszahlung beginnen soll.«

Für die Verzögerung der Auszahlungen an die Opfer machte Berger alleine die deutsche Wirtschaft verantwortlich. Die amerikanische Richterin Shirley Kram habe mit ihrer Entscheidung, die Klagen von ehemaligen Zwangsarbeitern nicht abzuweisen, die jetzige Entwicklung dagegen eher beschleunigt als verzögert. Die deutsche Industrie sei gewarnt gewesen, dass Kram eine Zusicherung für das Geld der deutschen Wirtschaft verlangen würde. Berger sagte, man habe diese Warnung auf deutscher Seite anscheinend »nicht besonders ernst« genommen.

Auch Berger erwartet jetzt eine baldige Auszahlung an die Zwangsarbeiter, »hoffentlich bereits im Sommer«. Dafür sei aber eine personelle Aufstockung bei den Ämtern und bei den Archiven notwendig. Auf die Ämter werde eine Flut von mindestens einer Million Anträge hereinbrechen. Viele Antragsteller würden in Archiven Nachweise über die von ihnen geleistete Zwangsarbeit suchen. Das Interview wurde dpa in redaktioneller Form übermittelt.