Neue Armut Arm in der "Stadt der Millionäre"

Baden-Baden gilt als eine der reichsten Städte Deutschlands. Doch neben mondänen Pferderennen und Kasinonächten gibt es auch bittere Armut: Die Stadt der Millionäre hat auch die höchste Quote an bedürftigen Rentnern im Südwesten.

Zwischen Nerz und Niedergang sind es auch in Baden-Baden nur wenige Schritte. Doch fällt gerade in der Kurkommune, die auch als "Stadt der Millionäre" bekannt ist, der starke Unterschied zwischen Arm und Reich bei den Älteren ins Auge. Während einerseits beim Pferderennen im benachbarten Iffezheim die neue Hutmode präsentiert und im Festspielhaus der rote Teppich beschritten wird, hat die Stadt auch die höchste Quote an älteren Sozialhilfeempfängern im Südwesten.

Caritas: "Viele outen sich nicht"

Die Statistik liefert deutliche Zahlen: Von 1000 Einwohnern Baden-Badens leben mehr als 13 von der Grundsicherung, die der Sozialhilfe ähnelt. Grund für diesen undankbaren Spitzenplatz in Baden- Württemberg sei vor allem die Zusammensetzung der Bevölkerung, meint Frank Führle vom Amt für Familien, Soziales und Jugend. "Von den rund 55.000 Einwohnern ist etwa jeder Vierte 65 Jahre und älter. Entsprechend gibt es auch mehr bedürftige Rentner." Andererseits weist Baden-Baden laut Statistik auch das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Baden-Württemberg auf - mit 23.587 Euro liegt es mehr als 20 Prozent über dem Durchschnitt des Landes.

"Natürlich gibt es Menschen, die auf das soziale Netz angewiesen sind", meint Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU). "Diese Menschen nehmen aber auch am Leben in unserer Stadt teil." Das sehen einige Sozialarbeiter ganz anders: "Viele outen sich nicht, da braucht man ein geschultes Auge", erzählt Erwin Rummel von der örtlichen Caritas. "Es gibt nach wie vor die versteckte Armut auch in Baden-Baden." Viele kämen ohne Hab und Gut, aber im feinen Mantel zur Beratung - um den äußeren Schein zu wahren. Etliche ältere Arme beanspruchten auch keine öffentlichen Leistungen, um dem Staat nicht zur Last zu fallen. Rummel warnt: "Die Lage verschärft sich." Wenn die geplanten Gesetze zur Gesundheitsreform oder Pflegeversicherung verabschiedet werden sollten, werde sich "einiges dramatisch verändern".

Ärmere Alte leiden an der Abhängigkeit

Viele ärmere Alte leiden vor allem an der Abhängigkeit: "Wer schon lange in Sozialhilfe war, der bleibt es auch", sagt ein anderer Sozialhelfer. "Und längere Zeit in der Hilfe zehrt aus." Es sei keine Kunst, drei Monate mit Sozialhilfe zu leben. "Länger ist hingegen enorm schwer - vor allem, weil viele Ältere kein Geld zur Seite legen und das Sparen bei der geringen Geldmenge fast unmöglich ist."

Mit gemeinsamen Projekten und neuen Gesprächskreisen wollen die Stadt und ehrenamtlich beschäftigte Senioren den Älteren unter die Arme greifen. Mit "Mahlzeiten auf Rädern" werden in Baden-Baden täglich bis zu 175 Menschen mit Speisen versorgt, zudem will sich der mit älteren Menschen besetzte "Seniorenrat" der Stadt für die Interessen der Gleichaltrigen einsetzen. Kostenlose Altentreffs werden ebenso angeboten wie Gedächtnistraining.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Angebote werden nicht wahrgenommen

Das Problem: "Die Angebote stehen meistens in den Zeitungen - und die werden von vielen Älteren nicht gelesen", sagt Diakonie-Geschäftsführer Heß. Das Engagement vor allem der wohlhabenden Bürger müsse daher ausgedehnt werden, zumal Kirche, Staat und insolvente Stadt überlastet seien und viele Ältere keine nahe wohnende Familie hätten.

DPA
Martin Oversohl/DPA

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