Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die Menschen aufgefordert, an der Modernisierung Deutschlands mitzuarbeiten. "Vergessen Sie nicht, dass Sie es zu einem großen Stück selbst in der Hand haben, wie es mit der Wirtschaft in Deutschland weitergeht", sagte Schröder in seiner Ansprache zum Jahreswechsel in Berlin. Zugleich warb er bei den Bürgern dafür, die Reformen mitzutragen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse betonte am Mittwoch, 2004 müsse es weitere Veränderungen geben. "Wir sind noch lange nicht am Ende." Auch Politiker von CSU und FDP sprachen sich für weitergehende Reformen aus.
Am 1. Januar 2004 treten zahlreiche Neuregelungen in Kraft. Sie bringen der Bevölkerung weit gehende Einschnitte in bisher gewohnte Leistungen, aber auch deutliche Steuersenkungen. In der Gesundheitsversorgung wird eine Praxisgebühr eingeführt, Zuzahlungen steigen und Brillen werden bis auf wenige Ausnahmen gar nicht mehr bezahlt. Der Kündigungsschutz wird gelockert und die Arbeitsvermittlung gestrafft. Eigenheimzulage und Pendlerpauschale werden deutlich gekürzt. Die Rentenanpassung entfällt.
"Einschränkungen und Verzicht für manche"
Der Kanzler räumte ein, die Reformgesetze seien für manche Bürger "mit Einschränkungen oder Verzicht verbunden". Die Bundesregierung bemühe sich aber, "die Lasten heute gerecht zu verteilen, damit wir in Deutschland die Chancen auch morgen noch gerecht verteilen können". Im Gesundheitswesen müsse es mehr Eigenverantwortung geben. "Wir können die Beiträge nicht weiter erhöhen, weil sonst die Arbeit in Deutschland zu teuer wird." Allen Deutschen solle aber weiterhin das medizinisch Notwendige unabhängig von persönlichem Einkommen und Alter zur Verfügung stehen. Der deutsche Sozialstaat sei es wert, "von uns allen behütet zu werden".
Thierse: "Müssen uns auch Zukunftsthemen zuwenden
Thierse sagte im Deutschlandfunk, die Themen Gesundheit, Steuern und Renten blieben auch im neuen Jahr aktuell. «Aber vor allem müssen wir uns den großen Zukunftsthemen zuwenden: Forschung, Innovation, Bildung, Familie», sagte der SPD-Politiker. Er hoffe sehr, dass die Stimmung im Jahr 2004 eine andere sein werde als 2003: "Weniger Wut, Angst, Verärgerung." Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, warnte indessen vor einer Wachstumspolitik "um jeden Preis". "Das ist mit uns nicht zu machen", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen" aus Erfurt.
FDP: "Sozialstaatklempnerei funktioniert nicht mehr"
Eine "Neugründung der sozialen Sicherungssysteme" will die FDP im nächsten Jahr voranbringen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Die Sozialstaatsklempnerei funktioniert nicht mehr." In der Gesundheitspolitik brauche Deutschland "keine Bürgerversicherung, auch keine Kopfpauschale. Wir wollen die Abschaffung der gesetzlichen Zwangskassen". Die Bürger "sollen sich bei verschiedenen Anbietern maßgeschneidert Angebote und Tarife aussuchen".

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Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte in seiner Neujahrsansprache einen Kraftakt aller Bürger. Versäumte Reformen hätten zu einer seit drei Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation und Rezession geführt, sagte er in seiner vorab veröffentlichten Rede. Die Steuereinnahmen brächen massiv weg. "Wir brauchen einen Aufbruch zu mehr Leistungswillen."