Atomausstieg Söder will AKW in Bayern weiterbetreiben können – und erntet deutliche Kritik

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, vor dem Atomkraftwerk Isar 2 
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, vor dem Atomkraftwerk Isar 2 
© Peter Kneffel / DPA
Nach dem deutschen Atomausstieg fordert der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, dass die Bundesländer Atomkraftwerke in Eigenverantwortung weiterbetreiben dürfen sollen. Aus dem Bundesumweltministerium kommt scharfe Kritik.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will sich nicht mit dem endgültigen Aus der Atomstromproduktion in Deutschland abfinden: Er forderte die Bundesregierung in der "Bild am Sonntag" auf, den abgeschalteten Meiler Isar 2 in Landesverantwortung weiterbetreiben zu dürfen. Während in der Union verschiedene Politiker Söder unterstützten, sehen Vertreter der zuständigen Ampel-Koalition das Ende der Kernkraft in Deutschland endgültig besiegelt.

Söder sagte dem Blatt, Bayern fordere vom Bund "eine eigene Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft". Solange die Krise nicht beendet und der Übergang zu erneuerbaren Energien nicht gelungen sei, "müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen".

Kritik an Söder-Forderung aus Umweltministerium

Die Unionsfraktion im Bundestag unterstützte Söders Forderung. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post", die Kernenergie aufzugeben, sei eine Fehlentscheidung. "Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verantwortung als Ministerpräsident, wenn Markus Söder alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden."

Die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland – die Anlagen Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen – waren am Samstagabend vom Netz gegangen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) warf Söder (CSU) wegen dessen Forderungen eine Missachtung der Rechtslage vorgeworfen. "Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert", sagte Lemke der Süddeutschen Zeitung (Montagsausgabe). "Die Zuständigkeit für die Atomkraft liegt nach dem Grundgesetz beim Bund. Deshalb können die Länder die Überwachung der Atomkraftwerke lediglich in Bundesauftrag vornehmen."

Grüne und SPD kritisieren Vorstoß von Markus Söder

Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb für den bayerischen Meiler Isar 2 sei ab dem 16. April erloschen, sagte Lemke der "Süddeutschen Zeitung" weiter. Wenn er wieder ans Netz solle, bedürfe dies "quasi einer Neugenehmigung des Reaktors". Söder versuche den Eindruck zu erwecken, den Abbau der Atomkraftwerke "gegen die Interessen des Strahlenschutzes" hinauszögern zu können, sagte die Umweltministerin. Das sei mit der Rechtslage unvereinbar. "Im Gegenteil kommt es jetzt darauf an, durch einen zügigen Rückbau die Sicherheit ganz nach vorne zu stellen."

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, erinnerte daran, dass Söder nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima noch mit Rücktritt gedroht habe, wenn die Koalition an der Atomkraft festhalte. "Jetzt fordert er das Gegenteil. Mit so einem Zickzack-Kurs macht man sich unglaubwürdig", kritisierte sie in der "Rheinischen Post".

Der Grünen-Politiker und frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin wies Söders Forderung im Berliner "Tagesspiegel" ebenfalls zurück. "Da wirft sich Söder mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug." Söder folge dem Motto, etwas zu fordern, weil die Ablehnung gesichert ist.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bayern tritt bei Endlagersuche auf die Bremse

Kritik kommt auch vom Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE): "Die heutigen Forderungen des Bayrischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt", sagte Präsident Wolfram König am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht." Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.

Bei der bundesweiten Suche nach einem Endlager für den bisher angefallenen Atommüll steht Bayern bereits jetzt auf der Bremse, sobald es um das Gebiet des Freistaats geht. Lemke distanzierte sich auch von dieser Haltung der bayerischen Landesregierung. "Die Verantwortungslosigkeit Herrn Söders zeigt sich auch darin, dass er sich gegen die ergebnisoffene Suche eines Standorts für die Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle wendet", sagte sie.

DPA · AFP
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