Keine Hoffnung, nirgends. Mit so viel gegenseitiger Verachtung hat sich noch selten ein politisches Zweckbündnis aufgelöst wie an diesem Donnerstag die Große Koalition aus CDU und SPD in Kiel. Der schale Nachgeschmack, dass der Weg zu Neuwahlen nur über eine kollektive Notlüge erfolgte, bleibt ohnehin. Die Aussprache über die von Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen gestellte Vertrauensfrage im Landtag aber ließe sich problemlos als Nachmittags-Soap bei jedem Privatsender unterbringen, dort, wo vor amüsiertem Publikum sich sonst nach tristen Ehejahren zermürbte Partner angiften.
Lüge. Halbwahrheiten. Wahnwelt. Eiskalt. Jämmerlich. Unmoralisch. Unwürdig. Aus dem Wörterbuch der Tief-Enttäuschten prasselte es im Minutentakt auf den jeweiligen Gegenüber ein. Der Kieler Landtag - ein einziger rhetorischer Fight-Club. Oh ja: Da hat sich wahrlich auseinander gelebt, was nie zusammengehört hat. Da passt nichts mehr zusammen. Da kann auf absehbare Zeit auch nichts mehr passend gemacht werden.
Realitätsverluste
Das allein ist noch kein Drama. Dass die Kieler Koalition an sich selbst scheitern würde, war lange absehbar. Die Art aber, wie Vertreter zweier vermeintlicher Volksparteien aufeinander losgehen, als handele es sich beim jeweils anderen um einen von einem feindlichen Stamm, war - ja, jämmerlich. Schwer vorstellbar, dass sich die Vision des schleswig-holsteinischen CDU-Fraktionschef Johann Wadephul zur Realität wird, wonach der nun sofort einsetzende Wahlkampf an der Küste "hart aber fair" werde. Entweder der Mann leidet unter Realitätsverlust oder er ist ein Heuchler.
Noch grotesker mutet der Satz von SPD-Fraktionschef Ralf Stegner an, der vor der Landtagssitzung eine Neuauflage der Großen Koalition nicht ausschließen wollte, weil in der Demokratie Parteien prinzipiell miteinander bündnisfähig sein sollten. Wer an einem solchen Tag eine Große Koalition in Kiel nicht mindestens für die nächsten 150 Jahre ausschließt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Flucht über zwei Meere
Alles nur Show, Taktik, Kalkül. Wer die Provinzler aus dem hohen Norden so vor sich hinwerkeln sieht, muss für einen Moment sogar den Hut ziehen vor dem besonnenen Arbeitswillen der Großen Koalition in Berlin. In Kiel aber tun sie so, als seien die Belange des Landes zu regeln wie bei einem Karnickelzüchterverein. Dabei steht das Land vor der Pleite und die Frage, ob der Atomreaktor in Krümmel je wieder ans Netz sollte, ist eine elementare - es gäbe also genug zu tun für die Regierenden.
Statt Regierungsarbeit nun Schlammschlacht. Für gut zwei Monate wird das Klein-Klein an der Küste weitergehen, mindestens. Sie werden kämpfen müssen um die Gunst der verstörten Wähler. Denen aber bleibt, hoch im Norden, wenigstens ein Trost: Die Wahl, über welches der beiden Meere man aus Schleswig-Holstein abhaut.