Der Kanzler habe zu Beginn der Nachtsitzung des Koalitionsausschusses bereits ein Ergebnispapier vorgelegt, heißt es. Olaf Scholz habe auch immer einen Plan gehabt, wie er die US-Amerikaner von Panzerlieferungen überzeugen kann, heißt es. Er war immer davon überzeugt, aus dem Bundestags-Wahlkampfs als Kanzler hervorzugehen, heißt es.
Sein Umfeld erzählt sie immer wieder: Geschichten über das Mastermind Olaf Scholz. Was immer auch politisch passiert, alles habe er von langer Hand geplant, dann heimlich, still und leise umgesetzt. Wie aber passt das damit zusammen, dass die Deutschen ihn für führungsschwach halten?
Ausgerechnet Scholz, der doch einst vollmundig versprochen hatte: "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch" – hat nun offenbar Lieferschwierigkeiten. Immerhin mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Befragten des RTL/ntv-Trendbarometers teilen den Eindruck der Führungsschwäche. Gut, die Hälfte, könnte man sagen, was heißt das schon? Ein Vergleich macht deutlich, dass das für Scholz durchaus besorgniserregende Zahlen sind: Merkel hielten im Wahlkampf 2013 etwa 77 Prozent für führungsstark, im Wahlkampf 2017 waren es immer noch 76 Prozent.
Warum sehen sie Scholz so anders? Es gibt vor allem einen Grund für das schlechte Image des Kanzlers – und das ist er selbst. Denn alle angeblich langgehegten Pläne blieben ebenso lang unter Verschluss, bis sie umgesetzt waren. Der Koalitionsausschuss tagte rekordhafte 30 Stunden, bis er ein Ergebnis hervorbrachte. Bis Deutschland und die USA die Panzerlieferungen an die Ukraine bestätigten, vergingen Wochen, in denen die meisten Militär-Experten riefen: Macht endlich etwas. Und im Wahlkampf schien es nun wirklich viele Monate lang wie ein komplett naiver Wunschtraum der SPD, nochmal den Kanzler zu stellen.
Schweigend führen ist auch für einen Olaf Scholz schwierig
In Verhandlungen ist dieses Schweigen manchmal von Nutzen, vielleicht ist Scholz sogar genau deswegen erfolgreich dabei. Aber für die Außenwirkung ist es ein Problem. Der Kanzler wirkt dann so, als würde er abwarten, die anderen mal machen lassen, schauen, was so auf ihn zukommt. Er wirkt eben nicht so, wie man es von einem Kanzler erwartet. Er geht nicht voran, sagt nicht, wie er sich das Ergebnis vorstellt. Macht (zumindest öffentlich) nicht, was man gemeinhin unter Führung versteht.
Und dann gibt es noch ein Problem an dieser Strategie: Sie ist nicht wirklich kontrollierbar. Im Nachhinein lässt sich leicht sagen, man habe es genau so gewollt. Wenn ein Marathonläufer vor dem Wettbewerb nicht sagt, was seine Wunschzeit ist, dann kann er am Ziel angekommen immer behaupten: Ich wollte nur durchhalten. Wenn Scholz seine Wünsche nicht durchbekommt, kann er am Ende immer noch sagen, er hätte sie nie gehegt.

Wenn Scholz das Image also verändern möchte, wenn er führungsstark wirken will, dann müsste er mal Ansagen machen. Vor der Verhandlung, öffentlich und überprüfbar. Oder Scholz muss stattdessen die Merkel machen – aussitzen, einfach durchziehen, so lange nicht erklären, was er will und macht, bis die Leute das irgendwann als Führung akzeptieren. Denn auch seine Vorgängerin war nicht für ihr Vorpreschen bekannt, trotzdem wurde sie als Führungsfigur anerkannt. Zumindest nach ein paar Jahren. 2001 gab es auch schonmal eine RTL-Umfrage über Angela Merkel, sie war da gerade seit einem Jahr Parteivorsitzende – und siehe da: 50 Prozent hielten sie damals für führungsschwach.