Sie schwimmen durch ein Meer von Themen, ohne klare Richtung, uneins, an welchem Ufer sie Rettung suchen sollen. So sympathisch man finden mag, dass die Partei die einzige ist, die sich überhaupt ernsthaft mit Fehlern der jüngeren Vergangenheit befasst, so gerne wüsste man langsam, was die Grünen denn in Zukunft wollen. Ein Parteitag dient im Allgemeinen dazu, in programmatischen Fragen Klarheit zu schaffen. Doch so leicht machen es die Grünen weder sich noch den Menschen, die sie einst wieder vermehrt wählen sollen. Stattdessen stellen sie nur ein ums andere Mal unter Beweis, wie groß die Bandbreite an Sichtweisen innerhalb der Partei ist.
Was also wollen die Grünen? Sie versammeln sich nun hinter Schlagworten wie "Freiheit" und "Liberalität", weil sie es satthaben, vom politischen Gegner als Verbotspartei gehänselt zu werden - schaffen es aber nur mit knapper Not, den "Veggie-Day" zu streichen, der im Bundestagswahlkampf zum Menetekel geworden war. Während die einen, vornehmlich die Realos aus dem Südwesten des Landes, die Wirtschaft als Partner begreifen wollen, halten andere, vornehmlich aus dem linken Flügel der Partei, diese Haltung für "heillos naiv". Während die einen vor den "roten Linien" warnen, die Winfried Kretschmann übertreten habe, als der grüne Ministerpräsident aus Stuttgart im Bundesrat dem verhassten Asylkompromiss zur Mehrheit verhalf, applaudieren die anderen ihm stehend. Immerhin haben die Grünen bewiesen, dass sie nicht so lebensmüde sind, den einzigen Star, den sie haben, politisch hinzurichten. Doch für die Zukunft bedeutet das nur: Dass man sich besser absprechen wolle - mit welchem Ergebnis dann auch immer.
Bleibt nur der Kampf gegen die Agrarindustrie
So viel Handlungsfreiheit geben sich die Grünen in der Außenpolitik gerade nicht. Es darf weiter keine Waffenlieferungen nach Syrien und in den Irak geben, auch wenn Parteichef Özdemir in dieser Frage bei den Grünen längst nicht mehr alleine steht. Über das Gott-sei-bei-uns der Grünen, eine Beteiligung der Bundeswehr, will man sich überhaupt erst dann Gedanken machen, und ausschließlich dann, wenn es ein UN-Mandat gibt, das ohnehin nie kommen wird. Glück für die Grünen. Pech für die Jesiden.
Wie schön, dass man sich wenigstens bei einem Thema so richtig einig weiß: der Kampf gegen die Agrarindustrie. Ob das wirklich das große neue identitätsstiftende Thema wird, wie auch die Grünen-Führung hofft? Weil alle Redner durch offene grüne Scheunentore laufen, gibt es zumindest keinen Streit. Und das ist ja auch mal ganz schön zur Abwechslung. Um die echten Knackpunkte kann man ja dann beim nächsten Mal streiten: Darüber, wie ein neues Steuerkonzept aussähe, das anders als das letzte, nicht die eigene Klientel überfordert. Über grüne Wirtschaftspolitik. Und über die passende Führungsriege.
Nach diesem Parteitag weiß man vielleicht nicht, was die Grünen wollen. Zumindest weiß man, was sie dringend brauchen könnten: einen Schwimmkurs.