Am Wochenende war Parteitag der Berliner Grünen. Bei der Wahl zum Vorsitz ließen die Delegierten die Kandidatin des Realo-Flügels in drei Wahlgängen durchfallen. Ganz ohne Gegenkandidatin. Tanja Prinz wurde mit 25, 26 und 27 Prozent regelrecht gedemütigt, bevor sie unter Tränen aus dem Saal ins Freie stürmte. Der Rest ging im Chaos unter. Parteitag unterbrochen, Fortsetzung am Mittwoch. Frohen Advent allerseits.
Der Vorgang bestätigt ein gängiges Vorurteil, nein, er zementiert ein Verdikt, dass sich die Handelnden redlich verdient haben: Die Berliner Grünen sind der schlimmste Landesverband ihrer Partei.
Man könnte es einen Satz ohne besonderen Nachrichtenwert nennen, denn es war seit Gründung der Alternativen Liste eigentlich nie anders gewesen. Hier handelte man stets so, als wäre die Weissagung der Cree nur falsch überliefert worden: "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass die Berliner Grünen was ganz Spezielles in ihrer Pfeife rauchen."
Nun ist es von außen oft schwer zu beurteilen, woran etwas wirklich gelegen hat. In diesem Fall nicht. Es handelte sich um ein Debakel mit Ansage. Als Vertreterin einer Gruppierung, die sich für einen bürgerlicheren Kurs in der Innen- und Migrationspolitik einsetzt, hatte Kandidatin Prinz schon im Realo-Flügel nur eine knappe Mehrheit gewonnen.
Don't mess mit den Latte-Lastenrad-Linken
Wie schwer sollte es erst bei den Latte-Lastenrad-Linken werden? Oder wie abenteuerlich, denn erst tags zuvor hatten neun von zwölf Kreisverbänden, darunter jener der Kandidatin selbst, ihrer Realo-Gruppe per offenem Brief zweifelhafte Methoden vorgeworfen. Der Streit war also schon vor Beginn des Parteitags maximal eskaliert. Sage niemand, er/sie wäre nicht gewarnt gewesen.
Was immer es letztlich auch gewesen ist, nicht gehaltene Absprache, überhörte Warnung oder hinterhältiger Angriff, nichts davon spräche für die Professionalität der Beteiligten, für ihre Politikfähigkeit.
Wenn Politik, zumal solche, die auf Parteitagen zelebriert wird, eine Form der darstellenden Kunst ist, dann haben die Grünen mal wieder irgendwas zwischen Tragikomödie und Farce abgeliefert.
Natürlich, Show ist nicht alles und Politik zum weit größeren Teil ein Handwerk. Aber dann sprechen wir doch mal über Handwerk. Darüber, wie die Berliner Grünen es bewerkstelligt haben, sich binnen Rekordzeit und völlig zurecht aus der Regierung in die Opposition zu klempnern. Das muss man erst mal schaffen, in einer Stadt, die in weiten Teilen so grün tickt wie Freiburg oder Tübingen!
Kulturkampf in der Fußgängerzone
Hier zettelt man einen Kulturkampf an über eine Fußgängerzone, die samt hingewürfeltem Stadtmobiliar in etwa so viel Charme versprüht wie der Mitarbeiterparkplatz des AKW Neckarwestheim 2. Bei Nieselregen.
Hier wehrt man sich mit Händen und Füßen gegen auch nur eine Rand(!)bebauung des 350 Hektar großen ehemaligen Flughafens Tempelhof. Wozu auch? Hier löst man Wohnraum-Sorgen ja lieber durch Enteignung – nicht die der schwäbischen Erbengemeinschaft, keine Sorge, nur die der großen Immobilienkonzerne.
Hier steht man immer über Kreuz mit der eigenen Bundespartei – und was das betrifft, unterscheiden sich CDU und SPD in gar nichts von den Grünen.
Hier darf Markus Söder seine Länderfinanzausgleichs-Milliarden stets am lautesten beweinen. Hier schreibt sich Merz’ens nächste Gillamoos-Rede wie von selbst.
Am Mittwoch soll der Parteitag fortgesetzt werden. Bis dahin gelte es "Ruhe zu bewahren", mahnt der Co-Landesvorsitzende Philmon Ghirmai, der auch noch wiedergewählt werden muss. Das passt ganz gut in diese Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.