Krach in der CDU Friedrich Merz und Kai Wegner: Ziemlich beste Parteifeinde

Kai Wegner und Friedrich Merz sitzen nebeneinander in einer CDU-Veranstaltung und wirken vertraut.
Damals sprachen sie noch miteinander: Berlins Regierungschef Kai Wegner (l.) und sein Parteichef Friedrich Merz im Februar bei einer Veranstaltung in der Parteizentrale in Berlin.
© Jens Schicke / Imago Images
Berlins Regierungschef Kai Wegner war einer der treuesten Musketiere von Friedrich Merz. Jetzt sind beide zutiefst zerstritten. Eine Intrige soll der Auslöser sein.

Wie kurz politische Halbwertszeiten sind, lässt sich am Verhältnis zwischen Kai Wegner und Friedrich Merz ablesen. Nicht einmal vier Jahre ist es her, dass der damalige Berliner CDU-Chef Wegner als einer der treuesten Musketiere des Sauerländers galt.

Damals, im Frühjahr 2020, als Friedrich Merz zum zweiten Mal für den Vorsitz der Bundespartei antrat. Gegen Armin Laschet und Norbert Röttgen. Als erster Landesvorsitzender stellte sich Wegner hinter Merz und ging damit auch ein persönliches Risiko ein. Er spüre "eine ganz klare Stimmungslage" für ihn, sagte Wegner über Merz. 

Merz verteidigte Wegner in Neukölln

Der Dank folgte drei Jahre später. Anfang 2023 geriet Wegner kurz vor der Wahlwiederholung für das Berliner Abgeordnetenhaus unter Rassismusverdacht: Seine Fraktion wollte nach den Krawallen in der Silvesternacht in Neukölln die Vornamen der Verdächtigen abfragen. Demonstrativ trat Merz gemeinsam mit Wegner in Neukölln auf.

Tempi passati, vergangene Zeiten. Heute sind die beiden Weggefährten tief zerstritten, sprechen nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander.

Vorläufiger Höhepunkt war die Rede von Friedrich Merz am Dienstag im Bundestag. Da nutzte der Unions-Fraktionschef die Aussprache zur Haushaltskrise, um nicht nur dem Bundeskanzler, sondern auch dem Regierenden Bürgermeister von Berlin eins mitzugeben. "Die Entscheidungen werden im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin", sagte Merz mit Blick auf die Debatte über die Schuldenbremse. Wegner hatte wenige Tage zuvor, als erster CDU-Regent, ein Aufweichen gefordert. Merz erklärte ihn zum Dank dafür nun zum kleinen Provinzfürsten ohne Sachverstand. Schlimmer kann eine öffentliche Demütigung nicht sein.

Was ist bloß passiert? Merz und Wegner kennen sich seit vielen Jahren, aus ihrer früheren gemeinsamen Bundestagszeit. Sie duzen sich nicht nur. Auch politisch gehören sie demselben, konservativen Lager an. Was hat die beiden Parteifreunde so auseinander getrieben? Oder vielmehr gegeneinander aufgebracht?

"Ein politischer Mordanschlag"

Wer sich auf Spurensuche begibt, bekommt unterschiedliche Versionen zu hören.

Eine geht so: Im Herbst 2022 bereitet sich Oppositionsführer Kai Wegner auf die Wiederholung der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses vor, als ein Gerücht die Runde macht. Merz und sein damaliger CDU-Generalsekretär Mario Czaja hätten intern dafür geworben, dass Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn in Berlin antreten solle. Wegner hätte ohnehin keine Chancen. Dessen CDU war bei der eigentlichen Wahl 2021 nur abgeschlagen auf Platz zwei hinter der SPD gelandet. Einen "politischen Mordanschlag" nennt ein CDU-Insider rückblickend den mutmaßlichen Vorstoß.

Wegner hält an seiner erneuten Kandidatur fest und gewinnt die folgende Wahl mit fast zehn Prozentpunkten Vorsprung. Doch der Beef ist nicht vorbei. Im September 2023 erklärt Merz ohne Not auf dem Gillamoos, einem legendären bayerischen Volksfest, der berühmt-berüchtigte Berliner Stadtteil Kreuzberg sei im Gegensatz zum Gillamoos "nicht Deutschland". Und fällt damit seinem Berliner Parteifreund in den Rücken, der sich in einer politisch eher linken Großstadt behaupten muss. 

Der unselige Dritte im Bunde

Die andere Version geht so: Der Versuch, Wegner als Spitzenkandidat für Berlin abzusägen, geht vom Berliner CDU-Politiker Mario Czaja aus, mit dem Wegner noch aus Zeiten der Jungen Union eine innige Feindschaft verbinden soll. Entsprechend wenig war Wegner auch begeistert, als Merz Czaja 2022 zum CDU-Generalsekretär machte. 

Mit der Berlin-Intrige um Wegners Spitzenkandidatur habe Merz aber nichts zu tun, sondern sich umgehend von dem Gerücht distanziert, heißt es in dieser Version. Doch Wegner stelle sich trotzdem immer wieder quer.

Richtig ist, dass Merz sich im Sommer auch parteiintern mächtig Ärger einhandelte, als er im Sommerinterview die Möglichkeit einer kommunalen Zusammenarbeit mit der AfD anklingen ließ. Und dass wieder einmal Wegner der erste CDU-Landeschef war, der sich zu der Causa äußerte. Nur eben diesmal nicht, um ihn zu unterstützen. "Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist", twitterte Wegner damals umgehend. Und ließ anklingen, dass Merz als Kanzlerkandidat der Union noch nicht gesetzt ist ("wird an ganz entscheidender Stelle die Gespräche mitführen"). Den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, für dessen Kanzlerkandidatur Wegner schon 2021 geworben hat, wird das gefreut haben. 

In der Partei wächst die Unruhe über den Krach

Mit Merz aber dürfte das Tuch spätestens ab diesem Moment zerschnitten gewesen sein. Zumal Merz bekanntermaßen äußert nachtragend sein kann. Dass Wegner unlängst im stern die Schuldenbremse infrage stellte, obwohl kurz zuvor Merz genau dies als Leitlinie ausgegeben hatte, ist in der Auseinandersetzung nur noch eine weitere Fußnote. 

Versuche einer Aussprache soll es gegeben haben. Doch Wegner habe sich dieser verweigert, heißt es in Parteikreisen. Dem Treffen des CDU-Präsidiums zu Beginn der Woche blieb er fern, zu einem Bundesratsessen der Unions-Länder erschien er ebenfalls nicht. 

Theoretisch brauchen Wegner und Merz einander nicht. Der eine wird am Erfolg in Berlin gemessen und nur daran. Der andere weiß, dass der eine in der Bundespolitik nicht gut vernetzt ist und kaum in der Lage, einen Aufstand anzuzetteln.

Weil der Streit aber dem Ansehen der Partei schadet, wächst intern die Unruhe darüber. "Von beiden Seiten unnötig" sei der Krach, befindet einer. Unterhändler versuchen deshalb, zwischen den Streithähnen zu vermitteln. Mit erstem Erfolg: Am Mittwoch kündigte Merz am Rande eines Interviews bei ntv an, in den nächsten Tagen mit Wegner sprechen zu wollen. Man sei miteinander verabredet, so Merz. Wo und wann das Versöhnungstreffen stattfinden soll, darüber schweigt sich sein Umfeld aus. Ziemlich beste Freunde werden die beiden wohl nicht mehr werden. Aber wenn sie nicht mehr ziemlich beste Parteifeinde wären, wäre für die CDU schon viel gewonnen.