Der Weg für die neue gesamtdeutsche Linke ist frei. Sowohl die Linkspartei.PDS als auch die WASG stimmten auf parallelen Parteitagen in Dortmund mit großer Mehrheit für eine Fusion. Diese muss jetzt noch in einer Urabstimmung aller Mitglieder abgesegnet werden, woran aber nicht gezweifelt wird.
Auf dem ersten gemeinsamen Parteitag in Berlin steht dann am 16. Juni die offizielle Gründung der neuen Partei "Die Linke" an, als deren Vorsitzende Lothar Bisky und Oskar Lafontaine vorgesehen sind. Hatte es noch am Mittag einen heftigen Streit über die Bedingungen für eine künftige Regierungsbeteiligung der gemeinsamen Partei gegeben, fiel die Mehrheit auf beiden Parteitagen am Ende doch überraschend deutlich aus. Bei der Linkspartei.PDS stimmten 96,9 Prozent der Delegierten für den so genannten Verschmelzungsvertrag. Bei der WASG waren es wenig später 87,7 Prozent. Damit wurde die nach dem Gesetz erforderliche Dreiviertelmehrheit jeweils deutlich übertroffen.
Reden von Gysi und Lafontaine
Kurz vor den entscheidenden Abstimmungen hatten die Bundestagsfraktionschefs Gregor Gysi und Lafontaine in viel beklatschten Reden noch einmal eindringlich für die Fusion geworben. Gysi sagte vor der Linkspartei.PDS, ein Stück Identität zu verlieren sei notwendig, wenn sie von einer Ost- zu einer bundespolitischen Partei werden wolle. Die westlich geprägte WASG habe zwar weitaus weniger Mitglieder, vertrete aber den größeren Teil Deutschlands. Lafontaine, der in seiner Rede vor der WASG politische Massenstreiks in Deutschland forderte, sprach von einem Auftrag der über vier Millionen Wähler bei der Bundestagswahl. Dabei waren beide Parteien bereits mit gemeinsamen Listen angetreten. "Wir müssen im Westen stark werden, um ein neues Gesicht in Deutschland zu bekommen", betonte Lafontaine.
Der Streit wenige Stunden vor der Endabstimmung hatte sich an dem Programm der neuen Partei entzündet. Der Parteitag der Linkspartei.PDS lehnte zwei wesentliche Forderungen der WASG zur Regierungsbeteiligung ab: eine strikte Absage an jeden Personalabbau im öffentlichen Dienst und die Klausel, dass Regierungsbündnisse bei Verstößen gegen den Koalitionsvertrag und andere Abmachungen aufzukündigen seien.
Pfiffe und Buhrufe
Die Entscheidung wurde von den Delegierten des eine Halle weiter tagenden WASG-Kongresses mit Pfiffen und Buhrufen aufgenommen. Erst eine Intervention von Parteigründer Klaus Ernst konnte den Parteitag von weiteren Reaktionen abhalten. In einer anderen Streitfrage hatten sich beide Parteien zuvor auf einen Kompromiss verständigt: Danach lehnen Linkspartei.PDS und WASG einen Einsatz der Bundeswehr im Inland ausdrücklich ab und halten internationale Militäreinsätze auch unter UN-Mandat nicht für hilfreich.
Am Samstag waren die Programmberatungen der jeweils 398 Delegierten noch zügig vorangegangen. Die Linkspartei.PDS wurde bereits am frühen Abend fertig, die WASG drei Stunden später. Linkspartei-Chef Bisky und WASG-Gründer Ernst warben auf ihren Parteitagen nachdrücklich für die Fusion. "Die Chance, die wir haben, kommt nie wieder!", rief Bisky aus. Bedenken auch in den eigenen Reihen trat er mit der Versicherung entgegen, der demokratische Sozialismus bleibe Kern der Identität. Geplant sei eine "Fusion auf Augenhöhe, für beide Parteien". Ernst warnte die WASG davor, die Chance zum Aufbau einer gemeinsamen Linkspartei in Ost und West zu vertun. Die Fusion sei nicht das Ende der Organisation, sondern verstärke noch ihren Einfluss in einer gemeinsamen Linken. "Und wenn es uns noch gelingt, uns mehr mit dem politischen Gegner zu beschäftigen als mit uns selbst, wer soll uns dann noch stoppen", fragte Ernst.