"Das ist ein Vorschlag aus der Aktion „Wünsch dir was“ der Union und unsolide wie alles, was derzeit von der Union kommt", sagte Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) am Freitag. Der vorgeschlagene Weg bringe "keine spürbare Entlastung für Familien und löst nicht die Strukturprobleme", kritisierte FDP-Pflegeexperte Daniel Bahr.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) hatte die Abschaffung des Beitragszuschlags von 0,25 Prozentpunkten für Kinderlose nach einem Regierungswechsel angekündigt. Stattdessen will die Union den Beitrag für alle Arbeitnehmer um 0,1 Punkte erhöhen. Wer Kinder erzieht, soll dann pro Kind mit fünf Euro im Monat entlastet werden. Das sei gerechter, weil die Zahl der Kinder berücksichtigt werde, sagte Zöller der "Süddeutschen Zeitung". Das Verfahren solle "zusammen mit einer Pflegereform neu" geregelt werden.
Privatisierung der Pflegeversicherung
Schmidt äußerte den Verdacht, die Union wolle die Pflegeversicherung "gegen die Wand" fahren, damit sie später leichter privatisiert werden könne. Die CDU will das Umlageverfahren langfristig durch ein Kapitaldeckungssystem ersetzen, die CSU lediglich ergänzend einen Kapitalstock aufbauen. Seit 1999 liegen die Ausgaben der 1995 eingeführten Pflegeversicherung über den Einnahmen, das Milliardenpolster dürfte bald aufgebraucht sein.
Schmidt sagte, die Unionsvorschläge würden "neue Finanzlöcher in der Pflegeversicherung" aufreißen. Die Pflegekassen würden durch den Zuschlag für Kinderlose pro Jahr mit mehr als 700 Millionen Euro entlastet. Für alle, die Kinder bereits groß gezogen haben, solle es im Gegensatz zum jetzigen Modell bei der Union "keine Entlastung mehr geben", kritisierte Schmidt.
SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch kritisierte, eine Alleinerziehende mit 2500 Euro Einkommen habe nach dem Unionsvorschlag nur 2,50 Euro mehr in der Tasche. Die Kombination aus Beitragserhöhung und Rückzahlung schaffe mehr Bürokratie. Für die Grünen-Fraktionschefin Krista Sager und die Pflegeexpertin der Fraktion, Petra Selg, offenbart die vorgeschlagene Abschaffung des Beitragszuschlags "die Konzeptlosigkeit der Union bezüglich einer umfassenden Pflegereform". FDP-Politiker Bahr forderte ein Systemwechsel hin zu einer kapitalgedeckten Pflegeversicherung und eine Entlastung von Familien mit 150 Euro pro Kind und Jahr in den ersten drei Jahren.
Schmidt für das Modell der Bürgerversicherung
Schmidt kündigte an: "Wir wollen die solidarische Krankenversicherung ebenso wie die Pflegeversicherung erhalten, und wir wollen beide als Bürgerversicherung." Geändert werden solle, dass die gesetzlich Versicherten im Schnitt das Dreifache zahlten, weil die private Versicherung überwiegend Gesündere versichere.
Einer Bürgerversicherung mit Beiträgen von allen je nach Leistungsfähigkeit setzt die Union den Vorschlag einer einheitlichen Gesundheitsprämie entgegen. Zur Höhe sagte Zöller im WDR, diese hänge von den Schulden der Kassen und im Haushalt ab und werde sich in der Größenordnung von 109 Euro bewegen.

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DPA