Politiker-Jobs Diäten allein machen sie nicht satt

Viele Großunternehmen beschäftigen bis heute Abgeordnete von CDU bis Grüne - das ergibt eine stern-Umfrage bei den 30 wichtigsten deutschen Konzernen. Die Betroffenen schweigen oder finden nichts dabei.

Die Liste der Politiker, die neben ihren Diäten ein Gehalt beziehen, wird länger. Marianne Hürten und Karl Kress, zwei Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags, erhalten Lohn von der Chemiefirma Bayer. Ihr Parlamentskollege Jens Jordan ist beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp angestellt. Das hat eine Umfrage des stern bei allen 30 im Deutschen Aktienindex Dax notierten Unternehmen ergeben. Zeitungen hatten zuvor über Berufspolitiker berichtet, die von der Allianz-Tochter Dresdner Bank, von BASF, RWE, Siemens und Volkswagen entlohnt werden.

CDU-Mann Karl Kress

, 59, legt seine Einkünfte offen: "Als Abgeordneter verdiene ich 4806 Euro brutto, Bayer überweist mir jeden Monat 3050 Euro." Kress befindet sich bei Bayer in der "passiven Phase der Altersteilzeit": Er muss nicht mehr arbeiten, bekommt aber noch mehr als die Hälfte seines früheren Gehalts. Davor hatte er für diese reduzierte Summe zweieinhalb Jahre voll gearbeitet. Im Parlament wettert der Bayer-Vorruheständler gern gegen die EU-Chemikalienrichtlinie, sie beeinträchtige "die Konkurrenzfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie". Als Lobbyist sieht er sich dennoch nicht: "Bayer ist ein großes Unternehmen, die meisten dort wissen doch gar nicht, dass ich im Landtag sitze." Weniger auskunftsfreudig sind Marianne Hürten, 51, und Jens Jordan, 61. Die Grünen-Politikerin Hürten, die für den stern nicht zu sprechen war, ist Betriebsrätin bei Bayer - mit einem Arbeitspensum von etwa 20 Prozent, schätzt ein Kollege. Dafür wird sie laut Bayer stundenweise bezahlt. FDP-Mann Jordan stehe bei Thyssen-Krupp "in einem normalen Arbeitsverhältnis, wird aber für die Sitzungswochen freigestellt", sagt ein Firmensprecher. Jordan ärgert sich über die Debatte. Er fühle sich unabhängig von seinem Arbeitgeber - "es ist alles eine Frage des Zeitmanagements".

Die Deutsche Bank entlohnt einen Landtagsabgeordneten entsprechend der geleisteten Arbeit, will aber seinen Namen nicht nennen. Telekom und VW gaben bis Redaktionsschluss nicht an, ob und welche Politiker auf ihren Lohnlisten stehen. Der Gesundheitskonzern Fresenius und Handelsriese Metro Group teilten mit, nicht zu wissen, ob Mitarbeiter politisch aktiv seien.

Informiert über das Engagement

der Mitarbeiter zeigte sich die Firmenleitung des Chemieunternehmens BASF. Sie weiß von 235 politischen Mandatsträgern. Prominentester Fall: Jürgen Creutzmann, 59, FDP, Vizepräsident des rheinland-pfälzischen Landtags und bei BASF "Unterabteilungsleiter Rechnungswesen" für Tochterfirmen. Von den rund 210 Arbeitstagen im Jahr wende er knapp 50 ganz oder teilweise für Sitzungen als Abgeordneter auf, sagte Creutzmann. Er arbeite "14 bis 16 Stunden pro Tag". Neben seinem Gehalt kassiert er Diäten von 7500 Euro. "Ich will im Beruf bleiben, um meine Unabhängigkeit gegenüber der Politik zu wahren."

Interessenkonflikte gebe es keine: Wenn Eggert Voscherau, stellvertretender BASF-Vorstandschef, ein politisches Anliegen habe, gehe er "direkt zu Gerd Schröder, dafür braucht er mich nicht". Die Allianz teilte mit, die CDU-Bundestagsabgeordnete Hildegard Müller sei die einzige Berufspolitikerin, die auf einer Lohnliste stehe. 21 der 30 Dax-Unternehmen, etwa Commerzbank, Daimler-Chrysler und Eon, schließen solche Fälle aus. Auch Siemens und RWE, bisher im Mittelpunkt der Diskussionen, sagen, dass sie für keine Bundes- und Landespolitiker mehr zahlen.

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Sebastian Ramspeck

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