Die Zahl der Impfungen steigt mit jedem Tag, die Inzidenz sinkt langsam aber stetig – und die neue Virusvariante Omikron ist auf dem Vormarsch. Bund und Länder sahen sich deshalb genötigt, die Corona-Maßnahmen in der vierten Welle noch einmal zu verschärfen. Ab dem 28. Dezember gelten auch für Geimpfte und Genesene Kontaktbeschränkungen. Aber reicht es, diese Maßnahme erst nach dem Weihnachtsfest einzuführen? Das sagt die Presse zu den Entscheidungen:
"Rhein-Zeitung": "Die Politik sollte also nicht auf die hören, die sich gegen solidarisches Handeln entscheiden und dies auf die Straße tragen, sondern diejenigen ermutigen, die bereitwillig erneut geduldig in der Impfschlange warten. Wenn es einer "Silvesterruhe", also etwa einem zweiwöchigem harten Lockdown bedarf, so wie es die Wissenschaft fordert, dann würde ein einheitlicher Beschluss sehr helfen. Ruhig, einmütig und klar vermittelt, um wenigstens optimistisch auf das Frühjahr 2022 zu blicken. Vielmehr bleibt auch gerade nicht."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Die Politik steckt – wie so oft in dieser Pandemie – erneut im Dilemma. Die zurückgehenden Infektionszahlen zeigen, dass 2G-Regeln und Impfkampagne Wirkung zeigen im Kampf gegen die Delta-Variante. Doch die sich erfreulich entwickelnden Zahlen erschweren gleichzeitig die Vorbereitungen auf die nächste Gefahr. Der neue Bundeskanzler Olaf Scholz trifft in dieser Lage den richtigen Ton, besonnen, aber ernsthaft und klar in der Beschreibung der Situation. Zu schärferen Kontaktbeschränkungen noch vor Weihnachten konnte sich die Runde aber nicht entschließen. Erstaunlicherweise würden zwei Drittel der Bevölkerung weitreichendere Maßnahmen wie einen Lockdown immer noch befürworten."
"Heilbronner Stimme": "Die politisch Verantwortlichen haben sich einmal mehr auf minimale Beschränkungen verständigt. Sie wollen den Bürgern nicht erneut das Weihnachtsfest vermiesen, setzen dagegen auf die Vernunft der Menschen und auf mehr Tempo bei den Impfungen. Das hat schon in der Vergangenheit nur leidlich funktioniert. Und es spricht wenig dafür, dass es nun besser gelingt. Niemand sollte sich daher wundern, wenn er sich nach den Weihnachtsfeiertagen in einem echten Lockdown wiederfindet. Auch wenn die Politik es anders nennen mag."
OM-Mediengruppe: "Den großen Wurf, um Deutschland für die nächste Omikron-Welle zu rüsten, bleiben Bund und Länder schuldig. Dabei wird die neue Virusvariante auch hierzulande bald dominieren. Wir bräuchten daher, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) aus Düsseldorf sagte, einen "Schutzwall gegen Omikron" – zumindest vorerst. Dass die Entscheidungen vom Dienstag in der Summe einen solchen Schutzwall ergeben, lässt sich leider nicht erkennen. Wäre nicht mehr möglich gewesen? Gerade jetzt, in den Ferien, wäre Gelegenheit, drastische Maßnahmen für eine überschaubare Zeit von wenigen Wochen einzuführen. Einfach, um die Ausbreitung von Omikron zu verlangsamen und Zeit zu gewinnen, die Gefährlichkeit der Virusvariante ausreichend zu studieren. Dass, was jetzt kommt, ist mal wieder: zu wenig, zu zögerlich."
"Badische Zeitung": "Dennoch bleiben große Zweifel, ob alles unternommen worden ist, um dem Land eine Belastung zu ersparen, die größer sein könnte als alles, was bisher in der Pandemie zu ertragen gewesen ist. Die Maßnahmen greifen in der Hauptsache erst nach Weihnachten. Die neue Obergrenze für private Zusammenkünfte für Geimpfte etwa gilt erst von 28. Dezember an. Das Virus feiert aber Weihnachten mit, ist bei den Gottesdiensten dabei und freut sich an groß angelegten Familientreffen. Und es geht in Gaststätten und begleitet gerne beim Einkaufen. Es sind also große Lebensbereiche von Einschränkungen ganz oder jedenfalls zeitlich befristet ausgenommen. Ministerpräsidenten und Kanzler laden sich damit eine große Verantwortung auf. Sie hatten für ihre Entscheidungen eine ausreichende Faktenbasis. Sie sollten also wissen, was sie tun."
"Rheinpfalz": "Während Experten mit Blick auf die Omikron-Variante von einer Infektionswelle von bisher nicht beobachteter Dynamik sprechen, reagieren Bund und Länder so, als ginge es nicht um die Gesundheit der Bürger, sondern um das Sammeln von Sympathiepunkten. (...) Man staunt. Denn das Ziel muss ein anderes sein: Es geht darum, eine Überlastung des Gesundheitswesens abzuwenden und die Gefahr zu bannen, dass Feuerwehrleute, Polizisten oder Ärzte infektionsbedingt massenweise ausfallen. (...) Nun greifen die schärferen Kontaktbeschränkungen erst in einer Woche, als ob das Virus eine Weihnachtspause einlegen würde."
"Weser-Kurier": "Es fehlt im Bund und in vielen Bundesländern eine Strategie. Die zwischenzeitliche Schließung von Impfzentren wie in Bremen, das Chaos um den Nachschub an Impfstoffen, ausverkaufte Selbsttests und immer neue Booster-Fristen verunsichern die Menschen. Und nun haben auch noch Scholz und Lauterbach den RKI-Chef Lothar Wieler regelrecht abgemeiert. Der hatte sich im Vorfeld des Treffens für "maximale Kontaktbeschränkungen" ausgesprochen."
"Die Glocke": "Was auf Deutschland zurollt wird keine Welle mehr, sondern nach den Prognosen der Experten ein Tsunami. (...) Kontaktbeschränkungen in sieben Tagen sind eine Ewigkeit weit entfernt von sofort. In Clubs und Diskotheken, darf noch einmal gefeiert werden, die Zehn-Personen-Regel gilt für Silvester, aber nicht für Weihnachten. Warum nicht? Unverständlich. Niemand hätte mit dieser Regelung alleine unter Weihnachtsbaum gesessen. Angesichts sich verdoppelnder Infektionszahlen in immer kürzeren Zeitspannen ist dieses Zaudern unverantwortlich. Es kostet Menschenleben. Die Politik hat nach zwei Jahren Krisenmanagement noch immer nicht gelernt, einmal richtig auf die Bremse zu treten, sie schaltet wieder nur einen Gang runter - bis zur nächsten Beratungsrunde. Das macht genauso mürbe wie die Pandemie."