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Pro und Contra Muss die NPD verboten werden?

Die rechte Terrorserie hat die Debatte um die NPD neu entfacht. stern.de-Autorin Katharina Miklis fordert ein klares Statement gegen die Partei, Niels Kruse hält dagegen.

Wann, wenn nicht jetzt?

Nein, verhindert hätte es vermutlich nichts. Das Nazi-Trio, über das nun das ganze Land spricht, hätte wahrscheinlich trotzdem gemordet. Ein NPD-Verbot, wie es nun von vielen gefordert wird, hätte die Zwickauer Terrorzelle sicherlich nicht im Keim erstickt. Und dennoch: Ein Verbot der NPD jetzt als reflexartigen Aktionismus abzutun, ist falsch. Ein erneuter Anlauf für ein Verbot ist mehr als überfällig. Wann sollte darüber diskutiert werden, wenn nicht jetzt?

Wenn der aktuelle Fall, in dem faschistische Fanatiker jahrelang unbehelligt mordend durchs Land zogen, etwas deutlich macht, dann dass viel zu lange falsche Prioritäten gesetzt wurden. Dass nachlässig mit einem Problem umgegangen wurde, das viel zu voreilig als gebannt abgetan wurde. Dass der Rechtsradikalismus viel zu lange verharmlost wurde - auch in der Politik.

Auch wenn es keine direkte Verbindung der rechtsextremen Partei zu den brutalen Mördern aus Zwickau gibt, so ähneln sich die NSU und NPD nicht nur in ihrem Namen, sondern auch in ihrer braunen Gesinnung. Natürlich braucht es keine NPD, um die Springerstiefel zu schnüren. Es braucht aber ein Verbot, um ein Zeichen zu setzen: Es gibt keine Unterstützung vom Staat für rechtsradikales Gedankengut. Keine Rechtfertigung von Gräueltaten durch die Ideologie einer legalen Partei mit ausländerfeindlicher und nationalistischer Propaganda. Rassistischen Kameradschaften darf nicht auch noch der Rücken gestärkt werden. Auch wenn die Mitglieder des braunen Komplotts alleine gehandelt haben, so ist doch bekannt, dass sie lange Zeit Kontakt zu den Rechtsradikalen des "Thüringer Heimatschutzes" pflegten. Von dort aus gibt es definitiv Verbindungen zur NPD. Soll man darüber hinweg sehen?

Natürlich gilt es nicht, den Rechtsextremismus mit einem NPD-Verbot blind in den Untergrund zu verbannen. Zu glauben, man würde den braunen Terror im Bann halten, so lange die NPD als legale Partei geführt wird, ist jedoch ein Trugschluss. Wie jetzt auf bittere Weise klar wurde, haben eingeschleuste V-Männer den Rechtsradikalismus in Deutschland schließlich nicht gebannt. Im Gegenteil. Die Verbannung der NPD wäre auch ein Signal. Eine Frage des Anstands.

Wenn der Kollege in seinem Contra darüber schreibt, dass sich Deutschland wohl oder übel damit abfinden muss, dass es Nazis gibt, gilt es dagegen zu halten, dass gerade ein Land wie Deutschland niemals den Kampf gegen die braune Hetze aufgeben darf. Niemals unterscheiden darf, zwischen "bösen" und "guten" Nazis – es ist ein Oxymoron.

Denn ganz abgesehen davon, dass es nicht sein darf, dass die menschenverachtenden Aktivitäten der NPD mit Steuergeldern bezahlt werden, kommt es auch auf die moralische Verantwortung eines Landes an: Wie will man einerseits die Allgemeinheit für Engagement gegen den Rechtsextremismus motivieren, wie dagegen ankämpfen, dass junge Menschen in die rechte Szene abdriften, wenn gleichzeitig eine Parolen schwingende Partei aus der Staatskasse unterstützt und mit Steuergeldern finanziert wird? Und das, während die Mittel im Kampf gegen Rechts gekürzt werden. Wie will man Kindern erklären, dass die Verfassungsfeindlichkeit der NPD legal ist?

Nein, ein NPD-Verbot löst das Problem des Rechtsradikalismus nicht. Aber es wäre ein wichtiges Statement in einer Zeit, in der eine rechtsradikale Gesinnung für viel zu viele Menschen zur Normalität geworden sein scheint.

Die NPD ist nicht das Problem

Der Reflex war so erwartbar wie schnell: Weil die unheimlichen "Döner-Morde" auf das Konto einer Neonazi-Gruppe gehen soll, werden prompt Rufe nach einem NPD-Verbot laut. Genauer: Die CDU will ausloten, wie die Chancen für ein neues Verbotsverfahren stehen. Schön für die Union, die sich nun damit brüsten kann, als erste Partei handfeste Konsequenzen aus dem neuen Rechtsterror gefordert zu haben. Allerdings mutet dieser Vorstoß nach genau dieser Art von Aktionismus an, die zu schnell schießt und zu schlecht zielt.

Zum einen: Was hat die NPD mit den Morden der Zwickauer Zelle zu tun? Nach allem, was bisher bekannt ist: nichts. Natürlich hetzt die Partei gegen Ausländer und Minderheiten und bestellt so den Acker des Hasses mit. Doch um ein echter Neonazi zu werden, braucht es keine NPD. So unangenehm sie auch sein mag, so irrelevant ist sie zum Glück für den größten Teil der Deutschen.

Zum anderen: Selbst wenn es eine eindeutige Verbindung zwischen der Zwickauer Zelle und der NPD gibt, was genau soll ein Verbot bringen? Nur weil eine Partei nicht mehr existiert, verschwindet damit noch lange nicht ihre Ideologie. So traurig es klingt, aber ein freies Land wie Deutschland muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass es Nazis gibt - alte wie neue. Um ihre Zahl so klein wie möglich zu halten, wäre es angebrachter nicht ausgerechnet jenen den Geldhahn zuzudrehen, die die Drecksarbeit vor Ort machen. Also den Hilfs- und Aussteigerprogrammen, die den Rechten die Hand entgegenstrecken, damit die sich aus dem braunen Sumpf befreien können.

Bislang ist das NPD-Verbot am unerquicklichen Einfluss des Verfassungsschutzes auf die Partei gescheitert. Vollkommen zu Recht, denn ein Rechtsstaat der Parteien unterwandert, um sie anschließend verbieten zu können, ist das Papier nicht wert, auf dem die Verfassung steht. Und auch im Fall der Zwickauer Neonazis ist die Rolle des Inlandsgeheimdienstes noch völlig ungeklärt. Offenbar aber war der Verfassungsschutz bislang nicht willens oder fähig, eine kleine Neonazi-Gruppe unter Kontrolle zu bringen. Was blüht den Geheimdienstlern und Deutschland erst, wenn der rechte Untergrund im Falle eines NPD-Verbots von deren ehemaligen Parteigängern geflutet wird?

Kanzlerin Merkel nannte die Mordserie "beschämend für Deutschland". Beschämend wäre es allerdings auch, wenn ihre Partei nun im Eiltempo ein NPD-Verbotsverfahren durchpeitscht und meint, damit sei das Problem gelöst. Denn die NPD ist eine, aber nicht die nicht Ursache für Neonazis, Fremdenhass, Mord und Totschlag, sondern allen voran nur ihr unansehnliches Gesicht.

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