Pressestimmen zum NPD-Urteil "Der Entzug der staatlichen Finanzmittel würde die AfD hart treffen"

Blick auf den Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe
Blick auf den Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe: Die Verfahrensbeteiligten der NPD waren bei der Verhandlung persönlich nicht anwesend
© Uwe Anspach / DPA
Die jetzt unter dem Namen "Die Heimat" firmierende NPD soll finanziell nicht mehr vom Staat unterstützt werden, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Die Presse munkelt über die Folgen für die AfD.

Weil die rechtsextreme NPD verfassungsfeindlich ist, hat das Bundesverfassungsgericht die in "Die Heimat" umbenannte Partei für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. "Die Antragsgegnerin missachtet nach wie vor die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet", erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König, in Karlsruhe. Die Partei selbst zeigte sich unbeeindruckt und kündigte an, ihre Arbeit fortzusetzen.

Das schreibt die Presse über das Gerichtsurteil:

"Frankfurter Rundschau": "Die NPD/'Die Heimat' erhält nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für sechs Jahre keine Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Es kann gut sein, dass es sie danach nicht mehr gibt. Die praktischen Auswirkungen halten sich trotzdem in Grenzen. Die rechtsextreme Partei findet nicht mehr den Zuspruch, der ihr nennenswerte staatliche Unterstützung sichern würde. Das Urteil zeigt, dass jenseits des Parteienverbots rechtsstaatliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, rechtsextremer Hetze einen Riegel vorzuschieben. Der Entzug der staatlichen Finanzmittel würde die AfD hart treffen – und er wäre logisch. Wer das demokratische System nur ausnutzen will, um es durch eine autoritäre Herrschaft zu ersetzen, sollte auf keinen Fall gefördert werden. Die rechtlichen Wege zu gehen, reicht nicht aus. Es ist mühsamer, dieser Mischung aus völkischem Gedankengut, Demokratie-Verachtung und Politik-Überdruss etwas entgegenzusetzen, damit die Menschen nicht auf der AfD hereinfallen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Wer eine Trennung von Kulturen oder Ethnien fordert, wer das Staatsvolk ethnisch definiert und Minderheiten missachtet, wer den Parlamentarismus verächtlich macht - der will ein ganz anderes System. Nämlich eins, das stark an die totalitäre Herrschaft erinnert, zu der das Grundgesetz der Gegenentwurf ist. Der hat aus Erfahrung das Instrument des Parteiverbots geschaffen, und mit diesem Schwert wurde in der jungen Bundesrepublik einmal nach rechts und einmal nach links zugeschlagen. Das heißt aber nicht, dass man dieses Schwert ziehen muss. (...) Karlsruher Verfahren sollten nicht als Kampfmittel geschrumpfter Volksparteien erscheinen, die das Volk vernachlässigt haben. Aber jedem muss stets klar sein, was unter dieser Grundordnung möglich ist und was sie abschafft. Auch ein freies Land kennt Rote Karten."

"Eine Blaupause für den Kampf gegen die AfD ist das nicht"

"Badische Zeitung": "Für die rechtsextreme NPD muss es doppelt frustrierend sein. Einerseits hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Partei nicht mehr staatlich finanziert werden darf, weil sie verfassungsfeindlich ist. Zugleich wollen aber alle nur wissen, welche Folgen das Urteil für die AfD hat (...) Ob die AfD verboten werden kann, ob ihr die staatlichen Mittel entzogen werden können, dass kann nur eingeschätzt werden, wenn man das Programm der Partei und die Reden der Funktionäre genau analysiert. Die Schwelle ist bei beiden Maßnahmen aber gleich hoch, ein Finanzausschluss ist nicht einfacher zu erreichen als ein Parteiverbot. Außerdem ist es auch kein milderes Mittel, das im Vergleich zum Parteiverbot die Demokratie weniger beschädigt. Wen soll denn eine Demokratie überzeugen, die die meisten aussichtsreichen Parteien massiv bezuschusst, während die Schmuddelkinder von der AfD finanziell ausgeblutet werden?"

"Volksstimme": "Die AfD und andere rechtsextreme Vereinigungen mögen schnauben, wie sie wollen: Das Urteil zum sechsjährigen Ausschluss der Heimat-Partei von der Parteienfinanzierung ist keine Willkür, sondern hat eine gesetzliche Grundlage. Die wurde nach gescheitertem Verbot des Heimat-Vorgängers NPD geschaffen. Das Verfassungsgericht hat nun festgestellt, dass die von der Rechtspartei angestrebte Volksgemeinschaft mit der Ausgrenzung von Ausländern und Minderheiten gegen die Menschenwürde verstößt. Das ist für jeden auch ohne Jura-Studium begreifbar. Die Karlsruher Richter haben die herausragende Aufgabe, über die Einhaltung des Grundgesetzes zu wachen. Sie schweben deshalb aber nicht über der deutschen Gesellschaft. Und in dieser sind rechtsextremistische Auswüchse und der millionenfache Protest dagegen ein zentrales Thema. So hätte jeder andere Spruch als der verkündete dem Ruf des Verfassungsgerichtes schwer geschadet."

"Leipziger Volkszeitung": "Bis zu den ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst 2024 und zur Bundestagswahl 2025 würde es mit einem Förderstopp für oder Verbot der AfD definitiv nichts mehr. Denkbar wäre indes ein Verbot der Jugendorganisation 'Junge Alternative'. So oder so ist es angebracht, jene offenen Flanken zu schließen, die die Partei nutzen könnte, wenn sie wie in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen mehr als ein Drittel der Stimmen bekäme."

"Mitteldeutsche Zeitung": "Nein, eine einfache Blaupause für den Kampf gegen die AfD ist dies nicht. Denn die Hürde, um ihr die staatliche Förderung zu nehmen, wäre im Prinzip gleich hoch: Man müsste der Partei nachweisen, dass sie die deutsche Demokratie gezielt aus den Angeln heben will. Allerdings ist es gut zu wissen, dass es unterhalb der Schwelle des Parteienverbots ein nicht ganz so einschneidendes Instrument gäbe. Man könnte damit auch dem Dilemma begegnen, dass die AfD im Unterschied zur NPD für ein Verbot eben nicht zu klein, sondern im Zweifel schon zu groß ist und zu viele Wähler hat. Die Entscheidung, sie finanziell auszubluten, könnte ein Mittelweg sein – vorausgesetzt, ein entsprechender Antrag würde gestellt und Karlsruhe gäbe ihm statt."

DPA
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