Die Stadt Delmenhorst will mit ein Kaufangebot für das "Hotel am Stadtpark" einreichen und so versuchen, dem rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger zuvor zu kommen. Der Hamburger versucht in der niedersächsischen Kleinstadt bei Bremen ein Hotel zu erwerben, um dort ein rechtes Schulungszentrum aufzubauen.
Der Oberbürgermeister von Delmenhorst, Carsten Schwettmann, habe dem jetzigen Inhaber Günter Mergel in einem Brief über die Kaufabsicht informiert, teilte Stadtsprecher Timo Frers mit. 3,4 Millionen verlangt Hotelier Mergel für das seit Jahren leerstehende Gebäude. Ob die Summe überhaupt gerechtfertigt ist, soll nun geklärt werden. Man habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den tatsächlichen Wert des Hotels prüfen lassen. Die Stadt darf nur diese Summe bezahlen. Den verbleibenden Unterschied zum bisherigen Angebot des rechtsextremen Anwalts Jürgen Rieger will die Bürgerinitiative "Für Delmenhorst" beisteuern, so deren Initiator Gerd Renker zu stern.de.
Schulden von zwei Millionen Euro
Stadt und Bürgerinitiative wollen so auf einen überraschenden Winkelzug des Hoteliers Günther Mergel reagieren. Mergel hatte angekündigt, sein "Hotel am Stadtpark" samt darauf lastender Schulden von angeblich rund zwei Millionen einer von Rieger vertretenen Stiftung durch eine "gemischte Schenkung" zu vermachen. Zuvor hatte die Stadt sich ein Vorkaufsrecht gesichert, nachdem bekannt geworden war, dass der Rechtsextremist die Immobilie übernehmen will.
Mit der nun angekündigten Schenkung des Hauses an Rieger, versucht Mergel dieses Vorkaufsrecht der Stadt, mit der er sich in einem jahrelangen Kleinkrieg befindet, zu umgehen. Doch Rechtsexperten bezweifeln, dass diese Taktik des Hoteliers aufgehen wird. "Wenn man durch eine Schenkung auch die Verbindlichkeiten übernimmt, sind diese Schulden quasi der Kaufpreis. Somit ist es keine Schenkung mehr und dann würde wieder das Vorkaufsrecht der Stadt gelten", sagt Marcus Schmid-Lossberg, Rechtsanwalt für Wohn-und Eigentumsrecht. Dies habe der Bundesgerichtshof festgestellt, so der Anwalt.
Rieger schon in Niedersachsen aktiv
Der Verfassungsschutz in Köln beobachtet schon länger, dass Rechtsextreme versuchen, Immobilien zu erwerben. In vielen Fällen scheitert der Kauf aber aus finanziellen Gründen, oder weil der Widerstand der Bevölkerung zu groß ist. Jürgen Rieger etwa hat bereits in der Nähe von Verden einen Teil der ehemaligen Bundeswehrkaserne gekauft und baut sie ebenfalls zu einem Schulungszentrum um. Ähnliches hat Rieger nun auch in Delmenhorst vor. Zudem sollen dort auch NDP-Parteitage abgehalten werden.
Gegen die Pläne protestieren seit zwei Wochen die Einwohner Delmenhorsts mit Demonstrationen und Unterschriftensammlungen Sollte das Schulungszentrum Wirklichkeit werden, befürchten Stadt und Polizei regelmäßige Aufmärsche und gewaltbereite Linksextremisten in dem 80.000-Einwohner-Ort. "Es hätte eklatante Folgen für Delmenhorst. Es gäbe ein dauerhaftes Konfliktpotenzial", sagt Stadtsprecher Frers.
In der Berliner Seelenbinderstraße im Stadtteil Köpenick existiert schon seit dem Jahr 2000 ein rechtes Tagungszentrum. Die dortige Polizei bestätigt, dass es regelmäßig Aufmärsche von linken als auch rechten Gruppen gebe. Zudem sei es in den vergangenen Monaten immer wieder Räumungen des Hauses gekommen.

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"Jeder steht hinter der Aktion"
Doch vielleicht sind juristische Winkelzüge gar nicht mehr notwendig. Denn die Bürgerinitiative ist überzeugt, zusammen mit der Stadt die erforderliche Summe aufbringen zu können. "Kein Verein, keine Kirche in Delmenhorst steht nicht hinter der Aktion. Sogar ein Golfverein und die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau unterstützen uns", sagt "Für Delmenhorst"-Gründer Renker. Er hatte die Initiative zusammen mit einem Bekannten vor zwei Wochen gegründet. "Damals wollte die Stadt das Hotel nicht kaufen, jetzt aber schon. Die Bürger haben die Stadt quasi ins Schlepptau genommen" Bislang sind auf einen Treuhand-Konto rund 730.000 Euro eingegangen, eine im Internet veröffentlichte Liste weist mehr als 3200 Personen als Unterstützer aus.
Rechtsextreme bepöbeln Unterstützer
Doch diese sehen sich nun übelster Beschimpfungen auf einer rechtsextrem motivierten Internet-Seite ausgesetzt. Unter der Überschrift "Delmenhorst und seine Volksverräter" ist eine Kopie der Unterstützer-Liste veröffentlicht. Sie wird mit den Worten kommentiert: "Anstatt mal gegen Hartz IV zu demonstrieren verschwenden diese Typen ihre Energie für sinnlose Aktionen." Die aufgeführten Personen gehörten "nach Wiederherstellung unserer Rechtmäßigkeit vor das Reichsgericht".
Dem niedersächsischen Verfassungsschutzes zufolge steckt ein bundesweit aktiver Rechtsextremist aus Berlin hinter der Seite. Der Server der Homepage werde von Estland aus betrieben - deutsche Behörden hätten darauf keinen Zugriff. Die Staatsanwaltschaft hat nun Vorermittlungen wegen Beleidigung und Volksverhetzung eingeleitet. Zudem ist der Berliner Datenschutzbeauftragte eingeschaltet, weil der Betreiber der Seite die personenbezogenen Daten ohne deren Einwilligung veröffentlicht habe. Allerdings ist der rechte Internetauftritt seit Mittwochnachmittag nicht mehr zu erreichen.
Wikipedia-Seite benutzt
Die Rechtsextremisten gebrauchen für die Seite die gleiche Software wie die Online-Enzyklopädie "Wikipedia". Bei dem deutschen Betreiber der Seite sieht man keine Möglichkeit, diese Nutzung einzuschränken. "Die Software ist frei und kostenlos erhältlich. Sie befindet sich auf tausenden von Websites", sagt Arne Klempert von Wikimedia zu stern.de. Gerd Renker reagiert gelassen auf die Anfeindungen. " Ich sage nur: Viel Spaß beim Kopieren der Namen, denn unsere Liste wird in den nächsten Tagen auf über 10.000 Personen anwachsen."
Aber nicht nur im Internet will Delmenhorst in den nächsten Tagen Stärke gegenüber den rechten Unruhestiftern demonstrieren. Zwar ist an der Verhandlungsfront bis mindestens Anfang kommender Woche Warten angesagt. Erst dann soll das Gutachten zur Ermittlung des Kaufwerts vorlegen. Doch mit 24-Stunden-Konzerten und Grillpartys gegen Rechts sowie Kundgebungen vor dem Hotel soll der Druck auf Rieger und Co. aufrechterhalten werden. Stadtsprecher Frers: "Ganz Delmenhorst wird auf den Beinen sein, um Flagge zu zeigen gegen Rechtsextremisten" Und Gerd Renker fügt hinzu: "Für Rechtsextreme ist hier kein Platz. Wir wollen und werden gewinnen."